Soziologische Theorie

Diese Zusammenfassung habe ich aus Interesse an der Soziologie erstellt und möchte sie nun einfach zur Verfügung stellen. Wer sich also für einen Ausblick auf die Soziologische Theorie interessiert. ..

Zusammenfassung zur soziologischen Theorie

Hier eine kurze Zusmmenfassung zu dem Thema zum wissenschaftlichen Diskurs.

Inhaltsverzeichnis zur Soziologischen Theorie:


1 Einleitung:
2 Definition: Theorie
3 Soziologische Theorie
4 Zur Entstehung soziologischer Theorie: Anfänge soziologischen Denkens
4.1 Begründbarkeit soziologischer Theorie aus dem Verhältnis Natur - Mensch
4.1.1 ”Vernunftrechtlich orientierte Gesellschaftstheorien”:
4.1.2 Liberalistisch orientierte Gesellschaftstheorien
4.1.2.1 Atomismus
4.1.2.2 Empirische Rationalität
4.1.3 Dialektisch orientierte Gesellschaftstheorien
4.2 Die Konzeption des Auguste Comte:
4.2.1 Das Drei-Stadien-Gesetz der Entwicklung
4.2.2 Positivismus
4.3 Emile Durkheim
4.3.1 E. Durkheim und die empirische Forschung
4.3.2 Erklärende Soziologie, Soziologie der Institutionen
4.4 Max Weber
4.4.1 Max Webers Beitrag zur soziologischen Theorie
4.4.2 Soziologie des Handelns; verstehende Soziologie.
5 Schlusswort

1 Einleitung:

Diese Arbeit ist lediglich als knappe Rahmen-Einführung geschrieben und notwendigerweise unvollständig.

Nicht geleistet werden kann in diesem Rahmen eine Darstellung der Geschichte der Soziologie; diese müsste sich – nach Robert K. Merton – einlassen auf “das Zusammenspiel zwischen der Theorie und solchen Faktoren... wie der sozialen Herkunft und dem sozialen Status ihrer Vertreter, der sich verändernden sozialen Organisation der Soziologie, den Veränderungen, die ihre Verbreitung für die Ideen mit sich bringt, und ihre Beziehungen zur sozialen und kulturellen Umwelt”. Vielmehr soll hier in einem Überblick, der Wandel von vorneuzeitlichen Gesellschaftstheorien zu den Ansätzen der neuzeitlichen europäischen Denktradition beleuchtet werden. Näher ausgeführt werden die Theorien von Auguste Comte, Emile Durkheim und Max Weber als Klassiker der ersten und zweiten Generation von Soziologen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, deren Denken die neueren soziologischen Modelle entscheidend (mit-) beeinflusst hat und das auch heute noch Gegenstand von Theoriedebatten ist.




2 Definition: Theorie

  • Theorie ist ein Begriff mit stark variierender Bedeutung: Allgemein wird mit Theorie ein System von Begriffen, Definitionen und Aussagen bezeichnet, das dazu dienen soll, die Erkenntnisse über einen Bereich von Sachverhalten zu ordnen, Tatbestände zu erklären und vorherzusagen.
  • In wissenschaftstheoretischen Darstellungen z.B. im Rahmen des kritischen Rationalismus wird Theorie oft gleichbedeutend mit deduktiver Theorie benutzt. 
  • Theorie als theoretischer Bezugsrahmen besteht aus einem System von Klassifikationen, mit dessen Hilfe ein bestimmter Bereich von Sachver-halten hinreichend erfasst werden soll. 
  • Häufig wird mit Theorie auch ein Erklärungsprinzip, eine in einer Erklärung benutzte Gesetzesaussage oder auch nur eine einfache Hypo-these über einen bestimmten Zusammenhang verstanden.
  • Umgangssprachliche Bezeichnung für ”Gedankliches”, nicht direkt auf Erfahrungen beruhenden Überlegungen.

3 Soziologische Theorie

Soziologische Theorie ist ein theoretisches System, das auf einer hohen Allgemeinheits-stufe gesellschaftliche Struktur-, Funktions- und Entwicklungszusammenhänge zu erklären vermag, indem es auf der Basis empirisch gesicherter Erkenntnisse funktionale und kausale Beziehungen, Regelförmigkeiten und Gesetzmäßigkeiten der Strukturbildung, Funktionsweise und Entwicklungsprozesse formuliert. Aus dem theoretischen System müssen Hypothesen und Sätze ableitbar sein, die eine empirische Überprüfung der Aussagen ermöglichen. 


Der Gegenstandsbereich von theoretischen Vorstellungen, die alltäglichem Handeln zugrunde liegen, und soziologischer Theorie ist gleich. Beide beziehen sich auf die Handlungen von Individuen in Gesellschaft und auf das, was durch die Handlungen der Einzelnen als Ergebnis hergestellt wird. Somit gehört natürlich auch zum Gegenstandsbereich soziologischer Theorie, von welchen Vorstellungen Individuen sich im Alltag leiten lassen. Einer der Unterschiede zwischen Alltagstheorien und soziologischen Theorien besteht jedoch darin, zu welchem Zweck sie jeweils gebildet werden. Das Individuum im Alltag ist daran interessiert, dass seine Vorstellungen und sein Wissen über Gesellschaft ihm problemlose Handlungsfolgen ermöglicht. Wird dieser Zweck erfüllt, braucht die vorausgesetzte Alltagstheorie nicht mehr Gegenstand von weiteren Überlegungen zu sein.


Soziologische Theorienbildung wird mit anderen Absichten verfolgt, was zu anderen Methoden und Beurteilungskriterien führt. Es geht hierbei um die Frage, ob die Annahmen empirisch überprüfbar und logisch konsistent sind. Zudem hat soziologische Theorie nicht nur einen bestimmten aktuellen Handlungsbereich im Blick, sondern will im allgemeinen alle Felder sozialen Handelns abdecken.


Da die Soziologie sich aus einer anderen Perspektive dem Gegenstandsbereich nähert, verlangt dies eine Art der Begriffsbildung, die sich von der Alltagssprache unterscheidet. Sie ist stärker auf abstrakte Zusammenhänge abgestellt.

Offen und kontrovers sind folgende Probleme:


a) ob es nur eine soziologische Theorie geben kann und wodurch sich ggf. eine Mehrzahl soziologischer Theorien erklärt;

b) ob sich die zentralen Annahmen der soziologischen Theorien in stufenweisen Schritten der Verallgemeinerung empirischer Protokollsätze gewinnen lassen, oder ob nicht jene Annahmen auf einen selektiven Prozess der Verarbeitung von Erfahrungs-wirklichkeit verweisen, der die Richtung der soziologischen Theorien bestimmt. Zu klären ist hier der Zusammenhang von Interesse und Erkenntnis, wie er sich im Vorverständnis und in der Optik des Soziologen spiegelt.

c) Schließlich ist die Frage kontrovers, ob es sich bei den rekonstruierten Strukturzusammenhängen und Entwicklungs-prozessen um Gesetze oder um empirisch auftretende Regelmäßigkeiten handelt.
Im Vergleich zu den Naturwissenschaften haben die Sozialwissenschaften kein kumulatives Wissen hervorgebracht, keinen gegenwärtigen Stand, der, bisherige Erkenntnisse systematisch verwertend und einbindend, den aktuellen Kulminationspunkt darstellt, in dem alles Bisherige aufgehoben wäre.

4 Zur Entstehung soziologischer Theorie: Anfänge soziologischen Denkens

Seit jeher waren “soziologische” Grundfragen und die Versuche zu deren Beantwortung durch Theorien, zwischen die polaren Annahmen eines selbständig und frei entscheidenden und handelnden Individuums auf der einen Seite und einer immer schon gegebenen, den einzelnen in typischer Weise determinierenden Gesellschaft auf der anderen Seite, eingespannt. Das heißt, dass die jeweilige Theorie aus dem sozialen und politischen Kontext verständlich wird, in dem Arbeiten und Kontext entstanden sind. Die “positivistische” Soziologie eines Auguste Comte ist an die Restauration nach der Französischen Revolution und den Höhenflug der Naturwissenschaften geknüpft, die marxistische Gesellschaftstheorie an die ökonomisch-politische Situation in Deutschland und Frankreich der ersten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts. Man muss Theorien wissenschaftlicher Herkunft als Deutungs- und Erklärungsversuche für jene Gesellschaft begreifen, der sie ihre eigene Entstehung verdanken.
In einem Prozess historisch sich verändernder Interpretationen wandelte sich auch das, was als soziale Definition der Wirklichkeit bezeichnet wird, wie beispielsweise die Vorstellung, dass die Erde eine Scheibe sei und sich nicht bewege, dass Frauen minderwertig seien, dass gesellschaftliche Herrschaftsformen als gottgewollt und deshalb unveränderlich gelten.

Es stellt sich die Frage, welcher Zeitraum oder historische Epoche den Beginn der Soziologie kenntlich macht.

Die Schwierigkeit wird in der Spannbreite des Zeitraumes bemerkbar, in den einzelne Autoren ihn legen. Die Theorien über die Wurzeln der Soziologie reichen von Protagoras (480-410), über Platon (427-348), Aristoteles (384-322), oder Thomas Hobbes (1588-1679) und John Locke (1632-1704), da alle ihre Aufmerksamkeit dem Staat, dem Individuum im Staat, dem Problem der Ordnung, dem Verhältnis von Eigentum und sozialer Rangordnung, der Ungleichheit unter den Menschen gewidmet haben. Themen, die auch heute noch wesentliche Problemstellungen der Soziologie sind. Auguste Comte, der von vielen für den Gründervater des soziologischen Positivismus gehalten wird, ortet sie, mit der Ausdehnung von Handel und Verkehr, der Entwicklung der Geldwirtschaft und den Anfängen der modernen Naturwissenschaften im 11. Jahrhundert. Der Prozess des Galileo Galilei ist der Modellfall einer Auseinandersetzung zwischen zwei Paradigmata und Weltbildern, in der historisch das frühe Heraufkommen einer empirisch verfahrenden Wissenschaft gegenüber einer spekulativ verfahrenden, theologisch-philosophischen sichtbar wird. Aussagen, die der Erklärung gegebener Erscheinungen dienen sollen, müssen den Prinzipien der Beobachtbarkeit, der empirischen Überprüfbarkeit und der Wiederholbarkeit beider genügen; metaphysische Begründungen, die der Theologie geläufig waren (der unerforschliche Ratschluss Gottes, der göttliche Heilsplan etc.) haben keine erkenntnistheoretische Geltung mehr. Was Max Weber als die Rechenhaftigkeit des Lebens, die ganz eigene Rationalität der abendländischen Entwicklung bezeichnet, ist die tiefste Charakterisierung dieser Denkweise.

Kritiker dieser Theorie “der frühen Wurzeln“ bemängeln, dass Themen, die in einem solchen Verständnis angesprochen werden, Leitgedanken sind, die in die Formation jener Disziplinen gehören, die man als Ideen-, Wissenschafts-, Philosophie- und Literaturgeschichte bezeichnet. Vielmehr sollte, um den Gegenstandsbereich der Soziologiegeschichte näher bestimmen zu können, nach den soziologischen Denkweisen gefragt werden, nach dem Selbstverständnis, aus dem heraus Forscher, die sich selbst als Soziologen verstanden, “ihre” Wissenschaft gegenüber anderen abzugrenzen versuchten. Dies führt zu der Überlegung, wann und unter welchen Umständen sich die Soziologie als eine Wissenschaft mit eigenem Untersuchungsgegenstand, eigener Methode und spezifischen Erkenntnisinteressen herauszubilden begann.

Im Mittelalter wäre eine eigene Soziologie, eine Wissenschaft, die nach den in der Gesellschaft selbst liegenden Bedingungen für deren Entwicklung und das Handeln der Menschen fragt, undenkbar gewesen. Der dogmatisch-theologische Charakter des mittelalterlichen Denkens führt von den in der Klassik gelegten Fragen nach der realen, diesseitigen Bedingtheit des Menschen noch weiter weg. Die Fragen nach Anfang und Ende der Welt, nach der Bestimmung des Menschen und seinen Aufgaben in der Gesellschaft, nach dem rechten und falschen Handeln wurden von der Philosophie beantwortet und darüber, wie über allem anderen, stand die Theologie. 


Wiewohl Ansätze der Soziologie geschichtlich weit zurückzureichen scheinen, kann in der konkreten Entwicklung der Soziologie als Erfahrungswissenschaft erst auf einen zeitlichen Bereich verwiesen werden, der mit der Industrialisierung begann (Übergang 18. ins 19. Jahrhundert). Die Soziologie ist an die Ereignisse und Brüche dieser Zeit gebunden und sie hat ihre ersten großen Fragen (jene nach Ordnung und Wandel, nach Individuum und Staat, Individuum und Gesellschaft) in den tiefgreifenden Veränderungen um die Französische Revolution, in der Ablösung der alten Sozialordnungen und der Entwicklung neuer politischer Systeme gefunden. Zusammen mit der Ökonomie hat sich die Soziologie im 18. Jahrhundert aus dem Corpus der praktischen Philosophie herausgelöst, es entstand die Trennung der Disziplinen, wie der Nationalökonomie, Soziologie, historische und Kulturwissenschaften. 


In Auseinandersetzung mit der frühen englischen Sozialphilosophie hatte sich die Moralphilosophie herausgebildet; sie hatte die Frage gestellt, wie eine gesellschaftliche Grundlegung der Moral möglich wäre. Die schottischen Ökonomen gaben darauf bereits eine soziologische Antwort: die bürgerlichen Gesetze, die Institutionen der Herrschaft und das Verhalten der Menschen seien jeweils abhängig vom “state of society” und damit historisch veränderbar. In diesem Prozess einer Binnendifferenzierung und Grenzziehung liefen die Naturwissenschaften den anderen voraus und die ökonomischen Wissenschaften wiederum den sozialen. In der Frühzeit, ehe die Soziologie als Begriff gängig geworden war, sprach man von “sozialer Physik” und darin spiegelte sich exakt ein historisch bedingtes Verständnis dieser sich neu entwickelnden Wissenschaft.


In der Konzeption eines der naturwissenschaftlichen Methode adäquaten analytischen Vorgehens im “Studium des gesellschaftlichen Zustandes” sollte klar zum Ausdruck gebracht werden, dass die Wissenschaft von der Gesellschaft nur diejenigen Tatsachen zu analysieren habe, die durch Beobachtung, Vergleich und Experiment verifizierbar sind. Dadurch sollte erreicht werden, dass die Soziologie sich auf das Niveau der modernen Wissenschaften erhebe und sich sowohl gegenüber unzeitgemäßen Glaubens- und Regierungsformen als auch von den ”wahnwitzigen revolutionären Utopien”, als realitätsfremden Spekulationen, abhebe. Ihren Ausdruck findet diese Neuorientierung im “Positivismus”, in einer erkenntnistheoretischen und methodologischen Grundhaltung, die strikt als Wissensgrundlage nur anerkennt, was ist, was beobachtbar, was “positiv” gegeben ist. Sozial nützlich, d.h. “positiv”, wäre die Soziologie nur dann, wenn sie weder am Prinzip der Stagnation bzw. Restauration noch an dem der willkürlichen Machbarkeit sozialer Gegebenheiten oder des überspannten Fortschrittswillens festhielte: Sie sollte vielmehr auf realistischer Grundlage die Perspektiven eines realisierbaren Fortschritts aufzeigen.

Anhand folgenden Theorien soll der beschriebene Prozess ansatzweise nachgezeichnet werden:
  • Wandel des Verhältnisses Natur - Mensch
  • Vernunftrechtlich orientierte Gesellschaftstheorien
  • Liberalistisch orientierte Gesellschaftstheorien
  • Dialektisch orientierte Gesellschaftstheorien
  • Positivismus


4.1 Begründbarkeit soziologischer Theorie aus dem Verhältnis Natur - Mensch

Vorneuzeitliche Gesellschaftstheorien, wie die von Platon, Aristoteles, Augustinus usw. sind naturrechtlich orientiert. Das Naturrecht bildet die Grundlage von Morallehren wie auch von Staats- und Rechtstheorien, die, von einer natürlichen bzw. göttlichen Seinsordnung ausgehend, die Natur des Menschen definieren und daraus verbindliche Normen für ihr Zusammenleben, sittliches Verhalten und für die Gestaltung der politisch-rechtlichen Ordnung ableiten. Der Begriff weist auf die von der Natur abgeleitete, “richtige” Form des sozialen Zusammenlebens hin. Auf dem Hintergrund dieser Anschauung findet sich die Vorstellung von der Übermacht und Konstanz einer wie auch immer auslegbaren Natur und die für vorindustriellen Systeme so typische Forderung, das soziale Leben in seiner kulturellen Geschlossenheit den Gesetzen dieser unveränderlichen Natur anzupassen.


Gesellschaftliche Fragen wurden erst akut und problematisch, als infolge der sozialen Strukturveränderungen die bisher für natürlich gehaltene Gleichgewichtslage der sozialen Ordnung, durch die Eigengesetzlichkeit ihrer in Bewegung geratenen “Kräfte” gestört wurde und sich der Kontrollierbarkeit seitens der politischen Führung zu entziehen drohte. Infolge dieser veränderten Situation seit dem Beginn der Neuzeit vollzog sich eine allmähliche Neuorientierung, deren wichtigste Merkmale im folgenden zu sehen sind:

1. An Stelle der Vorstellung von Gesellschaft als einem “System natürlicher Beziehungen” trat die Auffassung von Gesellschaft als einem System von “natürlichen” und “künstlichen” (= vertraglich zu regulierenden) Beziehungsstrukturen.
Nach der klassisch-politischen Auffassung setzte sich die Gesellschaft aus den natürlichen Beziehungen der Familie und aus der Vereinigung von “Häusern” (= Familie + Knecht + Blutsverwandte) zu Gemeinden bzw. Dörfern und darüber hinaus zur Polis (Stadtstaat), auf der Grundlage unmittelbarer Sozialkontakte der Freundschaft (Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch VIII), Kooperation und des sittlichen Zwecks der Tugendhaftigkeit als Sinn der Gemeinschaft zusammen. Auch die Herrschaftsbeziehungen wurden durch die “natürliche” Ungleichheit der “Charaktere” bzw. die “natürliche” Überlegenheit der Stärkeren, weil Vernünftigeren (Hausherr gegenüber Frauen, Sklaven, Knechten, Kindern) erklärt und gerechtfertigt. Die Rechte der Menschen wurden also prinzipiell von ihrer natürlich gehaltenen Beschaffenheit abgeleitet. Auf dieser Grundlage sollten auch die Tätigkeiten unter den Menschen definitiv festgelegt werden (Status-Zuteilung).
Gegenüber dieser Gesellschaftskonzeption vertraten die Theoretiker des rationalen Naturrechts die Auffassung von der prinzipiellen Gleichheit der Vernunftbegabtheit aller Menschen und von der Dominanz jener “nicht-natürlichen” Beziehungen, die durch zweckrationale Vereinbarungen, d.h. durch “künstliche” Regulierungen sozialer Beziehungen – wie z.B. durch Gesetze, Rechtsvorschriften, Institutionen – gesellschaftlich gestiftet werden (= Trennung der “natürlichen” von der bürgerlichen Gesellschaft, wie z.B. Hausgemeinschaft – Staat).

2. Der traditionellen Auffassung nach sollte der Sinn des Wirtschaftens in der Autarkie isolierter Hausgemeinschaften, im zwar “guten” aber genügsamen und für die Bedarfsdeckung produzierenden Leben bestehen.
Demgegenüber verlangte das ökonomische Interesse des expandierenden Bürgertums die Umorientierung in der wertmäßigen Einstellung zu wirtschaftlicher Tätigkeit. Das Verlangen nach “vermehrtem irdischen Glück” in Form der materiellen Sicherheit und Bedürfnissteigerung wurde als treibende Kraft des Fortschritts angesehen, die zum allgemeinen Wohlstand führen sollte. Den Sinn des Wirtschaftens sah man von nun an in der Gewinnmaximierung und der Produktion für den Markt (Warenproduktion).

3. Die klassischen Naturrechtslehre ging von einer politischen Gemeinschaft aus, der naturgemäß der Gedanke der Trennung von Staat und Gesellschaft – von politischen und ökonomischen System - fremd war. Als Sinn der Vergesellschaftung wurde die Zweckidee der sittlichen Vollkommenheit angesehen, die durch das politische System geschützt werden sollte. Diese traditionale Gesellschaftskonzeption lebte bis ins 18. Jahrhundert fort.

Gegenüber dieser, vom “natürlichen” Sozialgebilde des “ganzen Hauses” abgeleiteten und ethisch begründeten Gesellschaftskonzeption wird Gesellschaft, angesichts der radikalen Veränderungen des Sozialgefüges seit dem 16. Jahrhundert von den Theoretikern des rationalen Naturrechts als ein primär zweckrational zu konstruierendes System aufgefasst, das weder durch die Natürlichkeit seiner Sozialbeziehungen (Personenverband) noch von ethischen Zwecken ableitbar sei. Der Mensch stellt sich in dieser Konzeption als Individuum in seiner Eigenschaft eines mitkonstituierenden Subjektes dar, dessen Verbindungen zu seiner sozialen Umwelt immer vielschichtiger werden.


Diese allmähliche Abkehr von der klassisch-naturrechtlichen Gesellschaftslehre und die grundlegende Neuorientierung der neuzeitlichen Gesellschaftstheorien ist die Folge einer revolutionären Umwälzung der gesamten sozioökonomischen Situation durch die beginnende Industrialisierung im westeuropäischen Raum. Die Verdrängung der agrarisch-traditionalen zugunsten städtisch-industrieller Gesellschaftssysteme bedeutet einen historisch entscheidenden Einschnitt in die menschliche Existenzform.

Luhmann bezeichnet die Bedingungen dieser zunehmenden Komplexität, als eine vielschichtig gelagerte Neustrukturierung der Dimension zwischenmenschlicher Handlungsabläufe, die die althergebrachten Denkmuster von einer “natürlichen”, oder “göttliche” Natur- und Sozialordnung problematisch werden ließen. Die kritische Reflexion über die veränderte Situation führte zu den ersten Schritten einer sozio-logischen Gesellschaftsbetrachtung, indem der theoretische Versuch unternommen wurde, auf Grund eines veränderten Menschenbildes die sozialen Prozesse aus ihrer Eigengesetzlichkeit heraus zu begreifen. 


  1. Die folgenden Kernfragen, die etwa seit Hobbes (um 1650) aufgeworfen wurden, bilden auch heute noch die Brennpunkte soziologischer Theorien:Das Menschenbild und die daraus abgeleitete Problematik des sozial vermittelten Verhältnisses zwischen Individuum und Gesellschaft (Extrempositionen: Individualismus – Kollektivismus);
  2. die soziale Differenzierung: Als strukturell bedingte Differenzierung der Lebensweisen (Schichtung) mit ihren positiven (Individualisierung, Emanzipation) und negativen Konsequenzen (Probleme der sozialen Ungleichheit, Antagonismen usw.);
  3. die soziale Integration: Als wachsende Interdependenz zwischen Systemteilen, wobei nicht nur der funktionale Aspekt der Kooperation und deren Mechanismen, sondern auch die Frage der “moralischen Integration” (Werthaltungen, Solidarität usw.) problematisiert werden;
  4. der soziale Wandel: Probleme der Evolution oder Revolution; Formen des Konfliktes und Kampfes;
  5. die Handlungsorientierung und ihre soziale Bedingtheit (Relation zwischen Bedürfnissen und kulturellen Werten, zwischen Zweckverfolgung und Mittelverwendung, zwischen subjektiven Motiven und objektiv gegebenen Handlungsmustern usw.).
und somit den Übergang zu einer vernunftrechtlich orientierten Gesellschaftstheorie.


4.1.1 ”Vernunftrechtlich orientierte Gesellschaftstheorien”:

Das typische Merkmal der vernunftrechtlich orientierten Gesellschaftstheorien besteht in der Auffassung von der Überwindung der Natur mit Hilfe der Vernunftprinzipien. Die Vernunftrechtler sind (abgesehen von Rousseau) grundsätzlich naturfeindlich eingestellt. Dieser Aspekt kommt schon in ihrem Menschenbild klar zum Ausdruck: Sie gehen davon aus, dass der Mensch zwar der Natur seine Vernunftbegabtheit verdanke, doch seien eben diese Natur und alle aus ihr abgeleiteten, für “ewig” gültig gehaltenen Sozialbeziehungen, die die Vernunft an ihrer Entfaltung hinderten.
Die Vernunftrechtler erkannten die Chancen, die sich durch die Veränderung der sozialen Bedingungen, durch die Anwendung der Vernunft für die Vernunft selbst ergaben. Die Vernunft, die sich unter den Bedingungen des Naturzustandes kaum entfalten konnte, bedürfe des Schutzes der ganzen Gesellschaft; sie sollte durch die rational konstruierten Institutionen in ihren Wirkungsmöglichkeiten freigesetzt werden. Die Haupthindernisse für die Entfaltung der Vernunft bestanden nach Hobbes im allgemeinen Kriegszustand, nach Rousseau in den auf persönlicher Willkür beruhenden Herrschaftsverhältnissen und nach Kant in der von Gesetzlosigkeit bedingten Rechtsunsicherheit, die überhaupt die planende Aktivität des Menschen hemmten.


Vernunft wird als eine auf die Praxis gerichtete und abstrakte Zusammenhänge (Gesetzmäßigkeiten) erfassende geistige Tätigkeit aufgefasst, die aber im Unterschied zur liberalistischen Position, nicht nur auf Erfassung der empirisch erfahrbaren und zu verändernder Realität abzielt, sondern darüber hinaus auch Prinzipien und kollektive Zielsetzungen mit Soll-Charakter deduziert. Vernunft als kritisches und sinngebendes Denkvermögen bezweckt hier – im Gegensatz zur Tradition – über den Erkenntniswert hinaus Änderung: Sie soll das natürliche Sein, das “von Natur” Gegebene im Hinblick auf einen wünschenswerten Zustand umgestalten. Vernunft ist keine Rationalität mit unmittelbaren Nahzielen, sondern eine mit sozial vermittelten, also mittelbaren Fernzielen.

Das Endziel soll die Befreiung des Menschen von Unterdrückung, Unrecht, Aberglaube und Unwissenheit sein, wobei die sozialen Einrichtungen dieser Idee nach gestaltet und verändert werden sollten.

In den Verwirklichungsmöglichkeiten dieses Soll-Zustandes der Vergesellschaftung sahen die Vernunftrechtler erhebliche Schwierigkeiten: allein durch die Freisetzung der wirtschaftlichen Aktivitäten auf eine “natürliche”, durch die Eigengesetzlichkeit der sozialen Kooperation sich problemlos einspielende Weise, sei die Frage noch nicht gelöst. Um den Soll-Zustand zu erreichen, benötige die Gesellschaft politische Führung und Kontrolle seitens eines mächtigen Staates. Erst diese Sicherheit könne die Voraussetzung der Freiheit der bürgerlichen Subjekte garantieren.
Diese Forderung nach neuen Bedingungen bedeutete die Abkehr von der traditionalen Auffassung von einer unveränderbaren, gottgewollt-natürlichen Sozialordnung, in der der Mensch angesichts seiner Ohnmacht gegenüber der Gottheit, den Naturkräften und übermächtigen sozialen Gruppen keine grundlegende Verbesserung seiner sozialen Lage erhoffen konnte. Anstelle der Anpassung an die unvollkommende, weil zufällige, willkürliche und unsichere “natürliche Ordnung”, transponierten die Vernunftrechtler das Prinzip der Machbarkeit von der dinglich-technischen und naturwissenschaftlichen in die soziale Sphäre. Sie erhoben den Anspruch, mit Hilfe der Vernunft eine Gesellschaftsordnung konstruieren zu können, die die natürliche Ordnung mit ihren “Unvollkommenheiten” aufhebt, die Gesellschaft als eine vereinigte Menge von Willens- und Rechtssubjekten unter rationalen Zielsetzungen in eine ”vernünftige Ordnung” verwandelt und die Integration nicht auf natürlicher, sondern auf ”künstlicher” Basis von gesetzten politisch-rechtlichen Regelungen (Institutionen) stiftet. Diese Ordnung wurde als “bürgerliche Gesellschaft”, im Unterschied zu den ”natürlichen Gesellschaften” (wie z.B. “häusliche Gemeinschaft”, Familie) bezeichnet.


Unter diesen Bedingungen entfiel der bisher einzige Erklärungsgrund menschlicher Vergemeinschaftung: die Natur. Damit zerfiel auch die ursprüngliche Einheit der politischen Gesellschaft (“koinonia”) als ideologische Legitimation der natürlichen Ordnung. Zögernd wurde die Realität des Dualismus, der Trennung von Gesellschaft und Staat zur Kenntnis genommen (in voller Deutlichkeit und mit allen ihren Konsequenzen wurde diese Tatsache erst von Hegel erarbeitet).


Das grundlegende und allen vernunftrechtlich orientierten Gesellschaftstheorien gemeinsame Merkmal eines zivilisierten Zustandes wurde in der Abwesenheit individueller Gewalttätigkeit gesehen. Die bürgerliche Zivilisation sollte vor allem die persönliche Sicherheit der Individuen, sowohl vor herrschaftlicher Willkür als auch vor Übergriffen anderer Individuen und Gruppen, schützen und garantieren. Deshalb spielte die Frage nach dem Modus der juristischen und faktischen Übertragung der Rechte der physischen Gewaltanwendung auf den Staat die zentrale Rolle in diesen Theorien. Der Entzug der Rechte auf Selbstverteidigung, konkreter: der rechtlichen Chancen individueller Vergeltung, sollte den inneren Frieden innerhalb eines Staatsgebietes ermöglichen und die Pazifizierung sozialer Konflikte gewährleisten.


4.1.2 Liberalistisch orientierte Gesellschaftstheorien

Im Zuge der Entstehung eines mächtigen Erwerbsbürgertums entwickelt sich von England ausgehend, im 17. und 18. Jahrhundert, unter dem Einfluss der rationalen Naturrechtslehre und aus der Kritik der Zustände des fürstlichen Absolutismus, die liberalistisch orientierte Gesellschaftstheorie (Locke, Hume, Ferguson), die zur Gründung der politischen Ökonomie (Physiokraten in Frankreich, Smith und Ricardo in England) führt.

Die liberalistische Konzeption radikalisiert die vom rationalen Naturrecht aufgeworfene Frage nach den individuellen Freiheitsrechten und fordert ihre sofortige Verwirklichung.
“Der Menschen” wird primär als Bedürfniswesen betrachtet, das heißt, unter ökonomischem Aspekt, hinsichtlich der Gesellschaftsbetrachtung bedeutet dies die Annahme einer primär auf Rationalität angelegten Handlungsstruktur.

Die zunehmende Rationalität, d.h. die zunehmende Rationalisierbarkeit des Verhaltens in der Gesellschaft, entwickelt sich aus dem laisser-faire evolutionär, das heißt, durch unmittelbare Erfahrung und wird deshalb als unproblematisch angesehen.
  • Das liberalistische Gesellschaftskonzept ist von utilaristischen Elementen durchwoben. Der reine Utilarismus (= “Nützlichkeitsstandpunkt”) wird von Bentham (1748-1823) und John Stuart Mill (1806-1873) vertreten und unterscheidet sich abgesehen von einigen radikalen Schlussfolgerungen nur graduell von den liberalen Positionen. Die Grundposition der Utilaristen können auf drei Grundbegriffe reduziert werden:Eigennutz ( dessen positive Funktion)
  • Spontaneität ( als ”natürliche” Anpassung an die Praxis)
  • Optimismus (sich automatisch ergebende Ordnung, Gerechtigkeit, Glück).
Wesentliche Charakteristika der liberalistischen Denkweise sind:

4.1.2.1 Atomismus

Der relevante Grundgedanke hierfür liegt in der Hobbesschen Staatstheorie:
Im zunächst herrschenden Naturzustand sind die Individuen soziale Atome, die nur die eigene Selbsterhaltung und den eigenen Vorteil erstreben und so notwendig miteinander in Konflikt, in einen Kampf aller gegen alle geraten. Die einzelnen Atome werden als vom Gesellschaftsganzen relativ losgelöste Elementarteile begriffen, was die weitgehende Abwerfung kollektiver Bindungen zugunsten individuell gesetzter Zwecke bedeutet.

Dieser prekäre und unsichere Zustand kann nur dadurch überwunden werden, dass die Individuen freiwillig und in einer vertraglichen Übereinkunft auf ihr „natürliches Recht auf alles“ verzichten und sich einer gemeinsamen Regulationsinstanz unterordnen. Diese Instanz muss souverän und mit der Machtbefugnis ausgestattet sein, alle Individuen durch die Androhung von Sanktionen zur Einhaltung des Vertrages zu zwingen – der Staat.

Das politische System wird jedoch nur in seiner Schutzfunktion für die gesellschaftliche Freiheit und Sicherheit der Bürger gewertet, die Ziele waren eine allmähliche Entfunktionalisierung des Staates. Nach dem Grundsatz der Selbstregulierung sollte die Organisation der Gesellschaft ihren Mitgliedern selbst überlassen werden - ”Self-government”.

Zuerst sollten die Bedingungen des laisser-faire verwirklicht werden, woraus das Gemeinwohl entsteht. Ökonomisch wird diese Gemeinnützigkeit von der Produktionssteigerung abgeleitet (Smith): als private Tätigkeit wird die Arbeit im Interesse der Gewinnmaximierung geteilt, wodurch die zunehmende Arbeitsteilung und Berufsspezialisierung durch die Erzeugung von Reichtümern zum Allgemeinwohl führt und damit zum ”irdischem Glück”. Dieses Streben wird primär vom Wirtschaftshandeln geleitet, das nach dem Modell der Tausch- und Marktbeziehungen stets auf einen Interessenausgleich, auf gegenseitige Anpassung der Interessen, das heißt auf Kompromisse zusteuert. Die auf die totale Realisierung des Eigennutzes gerichteten Handlungsimpulse werden also durch die notwendige Kommunikation mit den Partnern, quasi automatisch durch die Gegenseitigkeit der Beziehung ”sozialisiert”. Das Erfolgsstreben, dessen Resultat zu positiven Handlungen führt, pazifiziert und modifiziert die Konflikte, indem sie den einzelnen nicht nur zur Kooperation, sondern auch zur Anpassung an die Interessenlagen der anderen zwingt. Dieser Anpassungsmodus wird also nicht primär von den politischen Instanzen reguliert und kontrolliert, sondern liegt ursprünglich in der ”natürlichen” Struktur der gesellschaftlichen Handlungszusammenhänge.

Die Handlungsstruktur der ”Atome” ist also nicht primär von den Bedürfnissen nach politischer Sicherheit, sondern von der dominanten Naturanlage des ”Begehrens” (Locke) bestimmt.
Zur Erhöhung der Effizienz des individuellen Leistungsbeitrages zur Entfaltung der ”natürlichen Ordnung”, sollen alle handlungshemmenden äußeren (politischen) und inneren (bewußtseinsmäßigen) Faktoren, wie zum Beispiel staatliche Bevormundung, traditionale Normen, sukzessiv abgebaut werden, die diesem Streben nach optimaler Bedürfnisbefriedigung, Vermehrung des Glücksgefühls und der Freude am Reichtum entgegenstehen.

Auf der Suche nach dem ”Gravitationsgesetz” der ”natürlichen Ordnung” kommen die liberalistisch orientierten Theoretiker zum Grundaxiom menschlicher Handlungsorientierung, das ihrer Ansicht nach universale Gültigkeit hat: zum Axiom der Handlungsrichtung Lust zu gewinnen und Schmerz zu vermeiden (Locke, Smith). Diese, durch die biologische Struktur der menschlichen Natur bedingte grundlegende Willens- und Handlungsrichtung, ist die Urkraft, die das soziale Geschehen bestimmt, da sie den Antrieb zu allen übrigen Handlungen bildet.


4.1.2.2 Empirische Rationalität

Eine weiteres Charakteristikum der liberalistischen Denkweise ist die empirische Rationalität. Als einer ihrer entschiedensten Vertreter gilt John Locke (1632-1704), für den alle Erkenntnis von Erfahrung ausgeht:

Die von den Umwelterfahrungen geleitete Vernunft lernt die Möglichkeiten der immer effektvolleren Nutzung der Natur kennen und wird – durch die Praxis – zu immer höheren Erkenntnissen geführt, um dann, losgelöst von der reinen Spekulation, solche Ziele zu verfolgen, die konkret erreichbar sind. 
Die Handlungsweisen werden um so rationaler, je ausgedehnter die Kenntnisse der Individuen über die empirischen Fakten sind, die sie bei der Durchsetzung ihrer Interessen für den Erfolg berücksichtigen müssen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass nach liberalistischer Auffassung
a) die Entscheidungen der Menschen, wenn sie ihnen nicht ”von oben” (Kirche, Staat) durch verbindliche Normen und Zwang aufoktroyiert werden, stets nach der ”Stimme der Natur”, im Sinne der Maximierung des Nutzeffektes getroffen und
b) ihre Handlungsziele und –weisen gegenseitig kontrolliert (Reziprozität der zwischenmenschlichen Beziehungen).

Insgesamt gesehen scheint die liberalistisch orientierte Gesellschaftskonzeption ein dynamisches Bild zu bieten, ihr Kerngedanke ist die Sicherung der totalen ”Bewegungsfreiheit” der Bürger. Die Sicherheit selbst als Bedingung der Freiheit stellt für die Liberalen kein Problem dar, ist der wirtschaftende Mensch, der homo oeconomicus, doch grundsätzlich pazifistisch, da er ”naturgemäß” an Kooperation und friedlicher Durchsetzung seiner Interessen interessiert ist. Das, was er braucht, ist Freiheit: ”free play of activities” (Spencer).

Im Hintergrund des liberalen Gedankengutes steht der Fortschrittsglaube als Überzeugung von der positiven Richtung des historischen Entwicklungsprozesses.


4.1.3 Dialektisch orientierte Gesellschaftstheorien

Als erstes und wesentlichstes Merkmal der dialektischen Soziologie, ist sowohl für Hegel als auch für Marx (aber auch für Adorno, Habermas und die marxistische Soziologie im allgemeinen) der Denkansatz der Totalität zu bestimmen. Dieses methodologische Postulat besagt, dass sich das Ganze nur vermittels der Einheit der von seinen Teilen erfüllten Funktionen erhält. Der Teil konstituiert zwar einerseits das Ganze, doch hängt er andererseits von der Totalität seiner Beziehungen ab. Die Anwendung dieses philosophischen Grundsatzes auf die Gesellschaft heißt folglich, dass sich die soziale Einheit durch die Erfüllung der Teilfunktionen ihrer Mitglieder erhält, wobei zwar einerseits die Mitglieder das Ganze konstituieren, aber sie auch andererseits von der Summe der gesamtgesellschaftlichen Beziehung (Totalität), d.h. von der Allgemeinheit abhängen. Die Gesellschaft wird also vom System der wechselseitigen Abhängigkeiten und deren Strukturierung bestimmt. Für die Soziologie bedeutet demnach die Forderung nach Erfassung der Totalität den methodologischen Versuch, soziale Teilerscheinungen stets von den strukturbestimmenden Wesenszügen des gesamten Sozialsystems her zu erklären, weil isolierte Phänomene nur durch ihr strukturell bedingtes Verhältnis zum Gesellschaftsganzen sinngemäß begriffen werden können.
Dialektik ist eine Synthese von vernunftrechtlich und liberalistisch orientierten Gesellschaftstheorien: Das Prinzip der normativen Zweckmäßigkeit des rationalen Naturrechts (Rechtsverhältnis) und der praktischen Zweckmäßigkeit der liberalistischen Theorien (Nutzungsverhältnis) wird auf die Weise aufgehoben, dass die positiven Elemente beider Denkrichtungen in eine strukturell neue Beziehung zueinander gebracht werden. Es werden weder die empirischen Ansätze der Liberalen noch die normativen Ansätze der Vernunftrechtler in toto abgelehnt, sondern auf einer neuen Ebene der Wirklichkeit kritisch erfasst.


4.2 Die Konzeption des Auguste Comte:

Comte ist der Theoretiker, welcher der neuen Sozialwissenschaft, die es seiner Ansicht nach zu begründen galt, den Namen ”Soziologie” verlieh. Von seiner Ausbildung her Naturwissenschaftler und Philosoph wird er in der Geschichte der Entwicklung der Soziologie oft als einer der Begründer des ”älteren Positivismus” bezeichnet und charakterisiert.

Den Fehler, die Entwicklung der Soziologie an die Erfindung des Wortes Soziologie zu knüpfen, soll hier nicht gemacht werden. Dennoch ist Comte ein Indikator, an dem die gesellschaftlichen Umstände, unter denen die Soziologie entstanden ist bzw. möglich und notwendig wurde, festgemacht werden kann. Comte wurde 1798 geboren, neun Jahre nach Beginn der französischen Revolution, die sicherlich nicht den Ausgangspunkt der Soziologie offenbart, da die Entstehung des soziologischen Denkens, wie bereits ausgeführt, nicht eindeutig zu orten ist, sondern lediglich ein herausragendes Ereignis in einer längeren Entwicklung darstellt.


Die Idee der Soziologie als Einzelwissenschaft verdankt ihre Entstehung einer Reihe von Bedingungen, die in Frankreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegeben waren, wie etwa das wissenschaftliche und politische Milieu, in dem Comtes Selbstverständnis der Soziologie als eigenständige Wissenschaft entstanden ist, das in einer Zeit der Veränderung auf allen Ebenen, (Aufschwung der Wissenschaften, Industrialisierung, politischer Kampf zwischen Absolutismus und Demokratie, Beginn der Arbeiterbewegung) gekennzeichnet wurde, insgesamt in einer Zeit, in der die Menschen ein anderes Verhältnis zu der Ordnung der Gesellschaft und auch zu sich selbst entwickelten.

Das Comte rege von diesen Veränderungen beeinflusst wurde und auch teilnahm, beweist sein Verweis von der Pariser École Polytechnique 1816, wo er einen Studentenaufruhr angeführt hatte. 
Von 1817 bis 1824 war Comte Sekretär von Saint-Simon, dessen Gesellschaftslehre bedeutenden Einfluss auf ihn ausübte. Comte selbst nennt als einen seiner bedeutendsten geistigen Inspiratoren und damit auch Wegbereiter der Soziologie Montesquieu, in dessen Werk auch Durkheim die Ursprünge der Soziologie verortet hat. 
Nicht nur der Name, auch das erste System der Soziologie stammt von Comte. Das praktische Ziel der Soziologie soll eine Organisation der menschlichen Gesellschaft sein.
Ursprünglich forderte Comte die Wertfreiheit der Wissenschaft. Später aber vertrat er die Auffassung, dass die Wissenschaft die Moral nicht ersetzen kann, da die Moral die Wertgrundlage darstelle, die die Richtung und den Umfang jedes Forschungsprozesses bestimmt.

Comtes Abhandlung über die ”Positive Philosophie” bildet den Inhalt seines 6-bändigen Werkes ”Cours de la Philosophie Positive”, erstmals erschienen 1830 - 1842. Ausgangspunkt ist für Comte dabei das in Anlehnung an Saint-Simon entwickelte Dreistadiengesetz, das den Gang der menschlichen Erkenntnis, Entwicklung des menschlichen Individuums, der menschlichen Gesellschaft sowie der Wissenschaft beschreibt.


4.2.1 Das Drei-Stadien-Gesetz der Entwicklung

An dieses Hauptanliegen Comtes ist die Frage nach der tatsächlichen Originalität seines Ansatzes zu knüpfen.

Denn bereits bei dem 1727 in Paris geborenen Anne Robert Jacques Turgot, Baron de l´Aulne lässt sich ein Entwicklungsgesetz finden, dass die Entwicklung der menschlichen Gesellschaften hin zu einem fortschrittlichen Endstadium in drei Phasen formuliert. Turgot ist aber durchaus nicht der erste, der versucht, die Abkehr von der christlichen Heilserwartung in der Geschichte der Menschen durch ein rational begründetes Entwicklungsgesetz abzulösen. Vor ihm hatte schon Giovanni Battista Vico (1668-1743), ein italienischer Philosoph, ein Dreistadiengesetz formuliert. Der Fortschrittsgedanke findet sich bei Vico allerdings noch nicht, bei ihm war die Gesellschaft auf dem Weg zur Dekadenz. Der Fortschrittsgedanke ist eine erst ab der Mitte des 18. Jahrhunderts einsetzende Tendenz: Statt Skeptizismus und kritischer Distanz zur Dekadenz der neueren Entwicklungen findet sich von nun an ein immer stärkerer Fortschrittsglaube.

Ein anderer, dem Comteschen Vorhaben durchaus ähnlich anmutenden anti-spekulativen, anti-metaphysischen Ansatz gesellschafts-wissenschaftlichen Denkens wurde auch in der klassischen Politischen Ökonomie diskutiert. Dieser bestand in der Erkenntnis der Eigengesetzlichkeit sozialer bzw. ökonomischer Beziehungen zwischen den Menschen. Diese Ansätze waren Comte bekannt, mit dem sich ebenfalls zu einer ”positivistischen Methode” bekennenden Mill stand er in lebhafter Diskussion. So ist neben dem ”Aufräumen” mit spekulativen Ansätzen der französischen Philosophie und Politik (die Comte sowohl von Anhängern als auch Gegnern der französischen Revolution vertreten sieht) als eines der zentralen Hauptanliegen Comtes die Kritik der einseitigen Erklärung von ”Gesellschaft” durch die Politische Ökonomie des 18. und 19. Jahrhunderts zu nennen.
Ein sehr ähnliches Modell zur ungefähr gleichen Zeit stammt von Sophie Germain (1776 – 1831), wobei unklar ist, wem die Priorität zukommt. Es könnte sein, dass der jüngere Comte bei einem Zusammentreffen mit Sophie Germain, in Paris, ihre Ideen kennengelernt hat. 
Comte formuliert die Entwicklung des menschlichen Geistes folgendermaßen:
  • Am Anfang steht das ”theologische Stadium” (oder der fiktive Zustand), in dem die Erkenntnis des Absoluten gesucht und in übernatürlichen, dem Menschen äußerlichen göttlichen Kräften gefunden wird, womit die Herrschaft der Kirche korrespondiert, die alle Ebenen des menschlichen und gesellschaftlichen Seins – etwa auch die Wissenschaft – religiösen Dogmen unterwirft.
  • Abgelöst wird diese Stufe durch das ”metaphysische Stadium” (oder abstraktem Zustand), in dem das Absolute nicht mehr göttlichen, sondern abstrakten, dem Menschen innewohnenden Kräften zugeschrieben wird – etwa der menschlichen Vernunft und dem Prinzip des Eigennutzes, wie sie in Gesellschafts- und Staatsphilosophien vertreten werden. Diese Rückführung auf abstrakte Prinzipien erachtet Comte als spekulativ, weshalb dieses Stadium nur eine Variante des theologischen darstellt. 
  • Im letzten Stadium der Entwicklung, dem ”positiven Zustand”, wird hingegen die Unmöglichkeit des Auffindens absoluter Begriffe erkannt: ”Wir geben es auf, den Ursprung und die Bestimmung des Weltalls zu ermitteln und die inneren Ursachen der Erscheinungen zu erkennen. Statt dessen suchen wir deren Gesetze durch gemeinsamen Gebrauch der Vernunft und der Beobachtung zu entdecken, d.h. deren Beziehungen im Nacheinander und der Ähnlichkeit nach. Die Erklärung der Tatsachen besteht nur noch darin, dass man die einzelnen Erscheinungen in Beziehung setzt zu allgemeinen Tatsachen, deren Zahl der Fortschritt der Wissenschaft stetig zu vermindern strebt” (Comte 1974, S.2). Für die positive Philosophie ”sind alle Vorgänge unveränderlichen Gesetzen unterworfen; für sie ist es ein vergebliches Unternehmen, nach den ersten Ursachen oder den letzten Zwecken zu forschen”. (Comte 1974, S.5). Jeder Gegenstand der wissenschaftlichen Betrachtung – auch die Gesellschaft – ist im Hinblick auf seine Gesetzmäßigkeit zu beobachten und zu analysieren, wobei diese ”Gesetzmäßigkeit” nicht eine Abhängigkeit von einem abstrakten Prinzip (etwa des Gottgewollten, des ”Geistes”, der menschlichen Vernunft) ist, sondern in Beziehung einzelner (empirischer) Gegebenheiten besteht.

Den Stadien des menschlichen Geistes entspricht eine parallel verlaufende soziokulturelle Entwicklung, die von der Priesterherrschaft über die Herrschaft der Philosophen und Juristen schließlich zu einer Herrschaft der positivistischen Wissenschaften als rationaler Grundlage des gesellschaftlichen Lebens führt.


4.2.2 Positivismus

Comte unterscheidet zwischen der (positiven) Philosophie als einer Art Methodologie (Theorie der Methoden) bzw. Metatheorie (Theorie der Theorie) und den in Einzeldisziplinen aufgespaltenen eigentlichen Wissenschaften, deren Verhältnis zueinander durch eine Rangordnung bestimmt ist (enzyklopädisches Gesetz). In Abhängigkeit von ihrem Komplexitätsgrad lassen sich die einzelnen Wissenschaften in eine hierarchische Struktur bringen. Auch die positiven Wissenschaften mussten sich erst aus dem theologischen und dem metaphysischen Stadium herausentwickeln. Als erste Wissenschaft erreichte die Mathematik das positive Stadium. Danach folgten Astronomie, Physik, Chemie und Biologie (damit auch die Psychologie). Die letzte positive Wissenschaft ist laut Comte erst im Entstehen begriffen: die Soziologie, die mittels der Statistik die sozialen Entwicklungstendenzen beschreiben soll.

Während sich in den Naturwissenschaften die Prinzipien der positiven Philosophie durchgesetzt haben, ist dies auf dem Gebiet der Gesellschaftswissenschaften nicht der Fall. Und daraus folgt das Hauptanliegen Comtes: die Entwicklung einer positiven Wissenschaft von den sozialen Erscheinungen, einer Wissenschaft, der er den Namen Soziologie verleiht (als Ersatz des bis dahin in positivistischen Ansätzen verwendeten Begriffs der ”physique sociale” etwa bei Quetelet).
Die positiven Wissenschaften nämlich ermöglichen Voraussagen und damit eine Kontrolle der natürlichen und sozialen Erscheinungen; dank ihren Erkenntnissen kann ein wohlgeordnetes, rationales Gesellschaftsleben entstehen, u. a. auf der Basis technologisch-industrieller Produktion.
Der Comtesche Ansatz ist nicht ohne Wirkung geblieben. Wenn er heute nur noch als Namensgeber der Soziologie genannt wird, wird meist übersehen, dass vor allem das Denken Emile Durkheims, dessen Bedeutung für die Soziologie als wesentlich höher eingestuft wird, stark durch Comtes Grundannahmen geprägt ist.
 Emile Durkheim kann historisch der ”zweiten Generation” von Soziologen zugerechnet werden.


4.3 Emile Durkheim

  • Glaubt an Vorherrschaft des Ganzen vor dem Einzelnen
  • Institutionen: Alle Glaubensvorstellungen und durch die Gesellschaft festgesetzten Verhaltensweisen.
  • Ein soziologischer Tatbestand ist jede soziale Erscheinung, die sich von individuellen Handlungen, Manifestationen verselbständigt hat. Alle Institutionen die unabhängig von Individuen bestehen und eine zwingende Macht ausüben.
Institutionen entstehen durch 3 Faktoren: Volumen – Dichte, andere wie Klima, Bodengestalt.
  • Vertreter der objektivistischen Soziologie, d.h. betrachtet soziale Tatbestände wie Dinge ( im Gegensatz zu Weber: der Sinnzusammenhang ist Objekt der Erfassung – subjektive Wirklichkeit)


4.3.1 Die Frage nach den sozialen Bindungen

Durkheim interessiert sich dafür, welche Bindungen die Menschen untereinander haben, d.h. durch welche Bindungen die Gesellschaft zusammengehalten wird. 
Diese Frage nach dem Zusammenhalt der Gesellschaft ist aber auch die Frage, wie soziale Ordnung zustande kommt. 
Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Frage nach den Beziehungen zwischen Individuum, Gesellschaft und Moral. 
Durkheim kritisiert dabei Versuche, die Gesellschaft über individuelles Nutzenstreben zu erklären wie z.B. die Nationalökonomie (Adam Smith, ¬ Politische Ökonomie), denn er betrachtet die Gesellschaft als eine Realität an sich und nicht als Produkt individueller Handlungen. Die Gesellschaft wird als eigene Realität bezeichnet, weil sie auf sozialen Tatsachen beruht wie z.B. Werte und Normen. Diese sozialen Tatsachen werden vom Menschen geschaffen und nehmen mit der Zeit einen dinghaften Charakter an, das bedeutet, sie stehen außerhalb des Einflussbereichs des Individuums. Die sozialen Tatsachen üben in der Gesellschaft eine Funktion aus. Unter Funktion versteht Durkheim den Beitrag eines einzelnen Teils zum Erhalt und zur Ordnung des Ganzen. Denn soziale Tatsachen üben einen Zwang auf das Individuum aus, indem abweichendes Verhalten sanktioniert wird, sie dienen dem Erhalt der Ordnung der Gesellschaft. Somit ist der Mensch Schöpfer von sozialer Ordnung. 
Die Werte und Normen, die soziale Tatsachen darstellen, ergeben insgesamt die Moral. Moral stellt den Gegenpol zum Individuellen dar. Durkheim spricht in diesem Zusammenhang vom Dualismus der menschlichen Natur: Einerseits hat der Mensch egoistische Bedürfnisse, andererseits strebt er nach moralischem Handeln. 
Moral bezieht sich also auf die Gesellschaft, das Kollektiv und ist als System von Verhaltensregeln anzusehen. Moralisches Handeln liegt also dann vor, wenn man diesen Regeln entsprechend handelt. 
Diese Regeln - die Moral - entspringen einem sogenannten ,,Kollektivbewusstsein". 
Dieses Kollektivbewusstsein ist auf der einen Seite im individuellen Bewusstsein enthalten, geht aber auf der anderen Seite darüber hinaus: Das Kollektivbewusstsein wird als Autorität, Zwang empfunden, weil ihr Inhalt soziale Tatsachen darstellt. Durch die gemeinsamen Regeln bedeutet das Kollektivbewusstsein auch ein Aufeinander-Bezogen-Sein. 
Das Kollektivbewusstsein erzeugt eine ,,Solidarität", die als das Zusammenwirken individueller Psychen zu verstehen ist. Die Solidarität ist das Bindemittel, ohne das es keine gesellschaftliche Ordnung gibt. Deshalb wird bei Durkheim Gesellschaft mit Solidarität und Moral gleichgesetzt. Form und Wirkung der Solidarität sind von der Struktur der Gesellschaft bestimmt.


4.3.2 Von der mechanischen zur organischen Solidarität

Durkheim stellt fest, dass in der Geschichte der Menschheit unterschiedliche Gesellschaftsformen aufgetreten sind, die in Struktur und Moralsystem verschieden waren. Aufgabe der Soziologie ist die Untersuchung der Moralsysteme über einen Umweg, nämlich abweichendes Verhalten.

4.3.2.1 Die segmentäre Gesellschaft - mechanische Solidarität

Zunächst leben Menschen in Horden und Clans. Die Menschen selbst sind sich relativ ähnlich und üben ähnliche Funktionen aus. D.h. die Arbeitsteilung ist kaum ausgeprägt und es besteht ein geringes Maß an funktionaler Differenzierung. 
Die Bevölkerungszahl ist relativ niedrig, die sozialen Bindungen schwach. 
In der segmentären Gesellschaft herrscht die mechanische Solidarität vor. Sie beruht auf der Ähnlichkeit der Mitglieder und dem gemeinsamen Glauben an bestimmte Ideen und Ideale. Man kann also sagen, das Kollektivbewusstsein ist dominant. 
Die Solidarität wird als mechanisch bezeichnet, weil sie als eine Kraft auf die Gesellschaft einwirkt, die die Ordnung erhält. So ist in diesen Gesellschaften auch das restriktive Recht (zurücknehmendes Recht, s.u.) vorzufinden, das auf Sanktionierung von abweichendem Verhalten abzielt.


4.3.2.2 Dichte und Volumen

Nun nimmt aber mit der Zeit die Größe der Gesellschaft, das soziale Volumen, zu. Daneben steigt aber auch die soziale Dichte, die Durkheim in materielle und moralische unterscheidet. Materielle Dichte beschreibt die physische, räumliche Nähe, während die moralische Dichte die sozialen Beziehungen und Kontakte beschreibt. 
Die Zunahme von Dichte und Volumen stellt die Ursache der fortschreitenden Arbeitsteilung dar. Dies erklärt er folgendermaßen: 
Diese beiden Faktoren führen dazu, dass die ähnlichen Menschen in eine Konkurrenzsituation geraten, denn Gleichartigkeit ruft nach Charles Darwin Konkurrenz (Survival of the Fittest) hervor. Aufgrund der Konkurrenz werden die Solidarität und die gemeinsamen Vorstellungen, der Zusammenhalt, gefährdet. Die Bedrohung macht eine ,,neue" Solidarität erforderlich. Die Konkurrenz wird durch die Spezialisierung, d.h. die funktionale Differenzierung, überwunden. Auf diese Weise tritt die mechanische Solidarität und das Kollektivbewusstsein mit dem Fortschreiten der funktionalen Differenzierung in den Hintergrund, verschwindet aber nicht völlig.


4.3.2.3 Organische Solidarität

Moderne Gesellschaften, oder arbeitsteilige Gesellschaften, zeichnen sich durch eine funktionale Differenzierung aus. Die Mitglieder sind unterschiedlich und üben verschiedene Funktionen aus. Einerseits führt die funktionale Differenzierung zur Individualisierung, andererseits aber auch zu einem stärkeren Zusammenhalt. D.h. die Unterschiedlichkeit wirkt nicht zerstörend, weil die Menschen untereinander (voneinander) abhängig werden. 
In diesen Gesellschaften herrscht die organische Solidarität vor - organisch deshalb, weil die einzelnen Teile wie Organe in einem Organismus dem Funktionieren des Ganzen dienen. Die Beziehungen werden durch Vertrag geregelt. Voraussetzung dafür ist aber der Glauben der Menschen an die Gesellschaft, die bei Vertragsbrüchen sanktionierend eingreift. Vorzufinden ist das restriktive, d.h. wiederherstellende Recht, das auf Wiedergutmachung abzielt. 
Wichtig ist, dass Durkheim eine stetige Entwicklung von der mechanischen zur organischen Solidarität feststellt, wobei die organische Solidarität durch Arbeitsteilung erklärt wird. Die Arbeitsteilung selbst wird aus sozialen Phänomenen erklärt - Dichte und Volumen - und wird positiv bewertet. Denn ihre Funktion ist die Herstellung von Ordnung, Harmonie und der ,,neuen" Solidarität.


4.4 Max Weber

Weber sah sich in seinem Selbstbild nicht als Soziologe, sondern als Nationalökonom, sein Werk gewann erst nach seinem Tod wieder an Bedeutung, besonders mit dem Aufkommen von qualitativen Strömungen aus den USA (wobei besonders der Symbolische Interaktionismus der Chicagoer Schule zu nennen ist).
Webers Bezugseinheit ist das sozial handelnde Individuum, er ”sieht nämlich die Wirklichkeit als bestimmt durch den einzelnen Menschen, durch sein Handeln.” (Richter 1995:48).
Besonders bedeutsam sind Webers soziologische Grundbegriffe, die das erste Kapitel seines Werkes ”Wirtschaft und Gesellschaft” ausmachen, da sie ein klar definiertes ”Arbeitszeug” für die Soziologie ausmachen. Durch seine Definition des ”Sozialen Handelns” legt er außerdem den Grundstein für eine Definition der verstehenden Soziologie.


4.4.1 Max Webers Beitrag zur soziologischen Theorie

Um 1910, in Aufsätzen, die sich mit verschiedenen Aspekten soziologischer Theorie befassen, versucht er seine materialen Annahmen auch theoretisch aufzubereiten. Wesentlich ist der von ihm in methodologischen Absichten eingeführte Begriff des “Idealtypus”. Bereits in der protestantischen Ethik spricht er diesen Begriff aus, aber erst in diesen späteren Arbeiten verwendet er das Konstruktionsprinzip, das dieser Begriff beinhaltet, um Grundlagen für eine soziologische Theorie zu schaffen.
“Idealtypus” meint bei Weber einen Begriff, der unter Abstraktion verschiedener Aspekte der Wirklichkeit vom Wissenschaftler gewonnen wurde. Mit ihm werden soziale Phänomene unter den Aspekten behandelt und klassifiziert, die der Wissenschaftler für wesentlich betrachtet. In diesem Sinne kann eine idealtypische Begriffskonstruktion weder wahr noch falsch sein. Ebenso ist für ihre Berechtigung nicht ausschlaggebend, ob der idealtypisch definierte Begriff einer “Stadt” z.B. Züge aufweist, die in der Wirklichkeit je auf eine bestimmte Stadt zutrafen. “Protestantische Ethik”, idealtypisch gebraucht, lässt sich demnach ebenfalls unabhängig davon verwenden, ob je ein Individuum die damit gemeinte strenge Form formaler Rationalität verkörpert hat und sich konsequent von einem Prinzip innerweltlicher Askese hat leiten lassen. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass durch eine solche Art der Begriffsbildung ein Instrument gewonnen ist, das sinnvolle Forschung ermöglicht, da die Gesichtspunkte, nach denen ein Gegenstand idealtypisch definiert wird, zugleich auch richtungsweisend für Fragestellungen des Forschers sind.


Die Konstruktion von idealtypischen Begriffen allein ist aber noch keine ausreichende Grundlage für eine soziologische Theorie. Jede Art von Sozial- oder Geisteswissenschaften und Kulturwissenschaften operiert mit Begriffen, in denen gewisse Abstraktionen vorgenommen werden. Die Wendung zur soziologischen Theorie verlangt vielmehr, dass in die Aspekte, die zur Konstruktion der Begriffe eingehen, auch zentrale soziologische Tatbestände mit eingehen. So bezeichnet Weber mit seinem Idealtypus der “Bürokratie” nicht lediglich ein bestimmtes historisches oder kulturelles Phänomen. Er skizziert damit auch einen soziologischen Tatbestand, da in die Konstruktion dieses Begriffes auch Aussagen über die Beschaffenheit von Interaktionsstrukturen eingehen, Annahmen über die Beschaffenheit sozialen Verhaltens, Formen sozialer Normierung und ähnliches mehr:

a. “Eine hierarchische Autoritätsstruktur wird dann als vorhanden angesehen, wenn die Organisation drei oder mehr Autoritätsebenen besitzt...
b. Von einem spezialisierten Verwaltungsstab wird gesprochen, wenn bestimmte Positionsinhaber in der Organisation ausschließlich zu Tätigkeiten herangezogen werden, die keine körperliche Arbeit darstellen...
c. Eine Differenzierung der Belohnungen (sei es nach Art oder Höhe) gemäß der Position gilt als gegeben, wenn dies in den Unterlagen erwähnt wird.
d. Von einer Organisation wird gesagt, dass sie spezifisch zielorientiert ist, wenn sie sich – im Falle der hier verwendeten Stichprobe – ausschließlich damit beschäftigt, Sachgüter herzustellen.
e. Eine Leistungsorientierung wird als vorhanden angesehen, wenn die Höhe der den Mitgliedern zukommenden Belohnung in irgendeiner Weise von der Quantität oder der Qualität der getanen Arbeit abhängt.
f. Eine segmentäre Teilnahme wird als vorhanden angesehen, wenn die Teilnahme auf irgendeiner Art von begrenzter gegenseitiger Übereinkunft basiert.
g. Von kompensatorischen Belohnungen ist die Rede, wenn Mitglieder höherer Autorität den Mitgliedern geringerer Autorität als Gegenwert für ihre Mitwirkung Belohnungen zuteilen.” (Udy 1971: 64)

Die Bildung einzelner idealtypischer Begriffe verstand Weber als Etappe auf dem Weg zu einem Bezugsrahmen, der auf eben diesen begrifflichen Konstruktionen aufbauen sollte. Von Weber selbst wurden in dieser Absicht idealtypische Begriffe sinnhaften Handelns, verschiedener Form der Vergesellschaftung, der Legitimation politischer Herrschaft unterschiedlicher gesellschaftlicher Klassen und Schichten vorgelegt. Dieses Bemühen entspricht der Vorstellung, dass sich alle soziologisch wesentlichen Bereiche durch idealtypische Begriffskonstruktionen abdecken und mit Hilfe dieser Begriffe analysieren und erklären lassen.


4.4.2 Soziologie des Handelns; verstehende Soziologie.

Gegenstand der verstehenden Soziologie ist das soziale Handeln.
Der verstehende Ansatz der Soziologie wurde als in erster Linie von Max Weber ausgehend geprägt. Die ursprüngliche Soziologie kann in erster Linie als eine rein empirische Wissenschaft auf ausschließlich naturwissenschaftlichem Boden angesiedelt werden, durch Weber wurde aber eine erweiterte Definition von Soziologie geschaffen, und zwar “als jene Wissenschaft, »welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will.«” (Weiß 1992: 45), jede (soziale) Handlung ist also in ihrem gesellschaftlichen Kontext zu sehen und zu verstehen.

“ ,Handeln‘ soll dabei ein menschliches Verhalten (einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden) heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden. ,Soziales‘ Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist.[...]” (Weber)

Nach Weber ist eine wesentliche Aufgabe der Soziologie, den subjektiven Sinn von Handlungen zu verstehen; und nur sinnhaftes Handeln ist von soziologischem Interesse, rein reaktives Handeln nicht. Für seine Soziologie als eine empirische Wissenschaft bedeutet Sinn:
Er besteht in subjektiven Zwecken, Werten, Mitteln, Motiven, die das Individuum bewusst oder unbewusst mit seinen Handlungen verbindet und die der Beobachter dem Individuum nach den durchschnittlichen Denk- und Gefühlsgewohnheiten als typischen Sinnzusammenhang zuschreibt und zwar

  1. in einem historisch gegebenen Fall von einem Handelnden oder
  2. durchschnittlich und annähernd in einer gegebenen Masse von Fällen oder
  3. in einem begrifflich konstruierten reinen Typus von dem oder den als Typus gedachten Handelnden subjektiv gemeinten Sinn

Die Soziologie soll also Typen-Begriffe bilden und generelle Regeln des Geschehens suchen. Typen-Begriffe sind gedankliche Abstraktionen der Realität, deren Inhalt der generalisierte Sinn von Handlungen ist. Sie stellen die reine Essenz bestimmter Handlungsmuster (Idealtypen) dar, der sich reales Handeln annähert. Dieses Vorgehen, bei dem ein konkretes, beobachtbares menschliches Handeln mit einem idealtypisch konstruierten Sinn unterlegt wird, führt nicht zu einer kausal gültigen Deutung, sondern einzig zu einer besonders evidenten kausalen Hypothese. Es handelt sich deshalb nur um eine Hypothese, weil

1. den Handelnden die Motive ihres Handelns oft selbst nicht bewusst sind, bzw. durch andere verdrängt sind,

2. hinter gleichen Handlungen können höchst verschiedene Sinnzusammenhänge liegen.

Weber nimmt eine idealtypische Vierteilung des sozialen Handelns vor, die von der typischerweise möglichen Orientierung des sozialen Handelns ausgeht:
Demnach kann das soziale Handeln bestimmt sein als

1. zweckrational: zweckrationales Handeln ist rationales Handeln, das unter der Prämisse Nutzenmaximierung und Kostenminimierung steht. Ein angestrebtes Ziel soll auf bestmögliche Weise unter möglichst wenig Einsatz erreicht werden. Der Idealtypus, der ausschließlich zweckrational handelt, ist der homo oeconomicus

2. wertrational: durch bewussten Glauben an den unbedingten Eigenwert eines bestimmten Sichverhaltens rein als solchen und unabhängig von Erfolg

3. affektuell: insbesondere emotional, durch aktuelle Affekte und Gefühlslagen

4. traditional: durch eingelebte Gewohnheiten

Diese vier Handlungstypen sind die Grundlage der meisten anderen Grundbegriffe Webers (z. B. legitime Ordnung, Gemeinschaft, Gesellschaft).

Nach Webers Tod wurde sein Werk lange Zeit vernachlässigt, und wurde erst wieder beachtet, als von den USA verschiedene soziologische Strömungen, die nicht nur quantitative waren, nach Europa gelangten. “Einen Wendepunkt in der Entwicklung der verstehenden Vorgangsweise bildete eine Zusammenfassung soziologischer Theorien nach Wilson (1970). Er unterschied zwischen nomologischen ... und interpretierenden ... Ansätzen, für die er den Namen ,interpretative Soziologie‘ vorsah.” (Richter 1997:145)

Bei der verstehenden/interpretativen Soziologie hat man es mit einer völlig anderen Qualität von Theoriebegriff zu tun als bei der quantitativen Soziologie, der verstehende Begriff ist weiter gefasst. Im Gegensatz zum traditionellen Theorieverständnis, bei welchem das Abbild der Wirklichkeit als Angelegenheit der Wissenschaft verstanden wird, ist die Auffassung der interpretativen Richtung, Theorie sei Angelegenheit aller sozial Handelnden, da Verstehen vom Menschen im Alltag ununterbrochen eingesetzt wird. Die Aufgabe der Wissenschaft wäre hierbei nun also, zu eruieren, wie die sozial Handelnden zu ihren Theorien kommen.

Methodisch ist die interpretative Soziologie nicht leicht von quantitativen Richtungen zu trennen, wie es vielleicht den Anschein hat. Natürlich bedient sie sich in erster Linie “der Beobachtung und Textinterpretation, aber auch quantitative Untersuchungen wie Meinungsumfragen können dazugehören.” (Richter 1995: 12)

Das Ziel dieses Theorieansatzes ist es, die Bedeutungen, die das Individuum seinen Handlungen zuweist, zu erkennen und zu verstehen.

Zusammenfassend sollen die drei Axiome einer verstehenden Soziologie nach Richter (1995:13) angeführt werden:

1. Verstehen ist ontologisch.
2. Verstehen ist nicht nur den Geisteswissenschaften vorbehalten, sondern es bestimmt auch naturwissenschaftlich gewonnenen Erkenntnis.
3. Die Grundlage für die verstehende Soziologie ist das Problem des sozialen Handelns.


5 Schlusswort :

Kritik: Probleme werden deutlich, wenn man beachtet, wie wenig Aufmerksamkeit in den ökonomischen Theorien dem Problem der Verteilung gewidmet wurde. Diese sollte sich “irgendwie”, nach den “natürlichen Gesetzen” ergeben, wobei nicht einmal der Versuch gemacht worden ist, wenigstens irgendein Maß – als normative Kategorie – zu bestimmen.

Die Liberalen übersahen bei ihrer Illusion der gegenseitigen Nützlichkeit die sozialen Umstände, die dieses allgemeine Verhältnis der gegenseitigen Benutzung im Sinne des Nützlich-Seins, auf Grund ökonomischer Machtpositionen, in Ausnutzungsverhältnisse umwandeln könnten.

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