Kulturellen Hintergründe zu den Mapuche
Aus der Reihe Ureinwohner Südamerikas - die Mapuche
Im folgenden wird anhand der Lebensgeschichte eines alten
Mapuche-Mannes, (Huenun Namku) und seinen Erzählungen die
kulturellen Hintergründe seines Volkes beleuchten.
Das Buch, auf das sich diese Arbeit hauptsächlich bezieht,
heißt: „Huenun Namku
– An Araucanian Indian of the Andes Remembers the Past“, und wurde von der
Benediktinerin Schwester M. Inez Hilger 1966 verfaßt.
Das Buch stellt keine Biographie
dar, es verfolgt auch keine ethnographisch methodologische Vorgehensweise, es
handelt sich vielmehr um ein Protokoll über die Bräuche der Mapuches anhand der
Erinnerungen Huenun Namkus.
Der im Titel verwendete Terminus
Araukaner und die von mir benutzte Bezeichnung
-Mapuche- mag verwirren, daß
„Handbook of South American Indians“ beinhaltet jedoch die Klarstellung des
Problems. Dort heißt es, daß Araukaner
ein Sammelbegriff für die Ureinwohner des Central Chile Valleys bildet, die
heute südlich des Bio-Bio Flusses leben. „Sie bilden zwar eine linguistische,
jedoch keine politische, physische oder kulturelle Einheit. Statt dessen setzen
sich die Araukaner nach Cooper aus mehr oder weniger unabhängigen Stämmen
zusammen: westlich der Anden von Norden nach Süden folgend die Picunche, die Mapuche
und Huilliche (und Cuncos); im Hochland der Anden die Pehuenche, und östlich
der Anden die argentinischen Araukaner“.[1]
Auffallend ist bei allen Namen die
Endung „che“, die aus dem Araukanischen übersetzt soviel wie Mensch, Person
bedeutet. Bei den einzelnen Stämmen ergänzt diese Bezeichnung mit die in den
Vorsilben verborgenen charakteristischen Merkmale.
Bei den Picunche bedeutet die
Vorsilbe picu, pikun soviel wie Nord; addiert mit dem che=Mensch ergibt das
eine Bezeichnung „Volk des Nordens“. Bei den Huilliche ergibt sich huilli=süd +
che => „Volk des Südens“.
Bei den Mapuche addiert sich die
Vorsilbe „mapu“, was soviel wie Land, Gebiet, Grund & Boden heißt. Man kann
die Bezeichnung Mapuche folglich mit dem Namen: „Menschen dieses Landes“
übersetzen. Die Mapuche werden aber auch Moluche genannt, von malon, malocan:
überfallen; =malon + che = Kriegsvolk.[2]
2. Geographie:
Als Siedlungsgebiet der Stämme gilt Mittelchile, das sich
vom 30° bis zum 43° erstreckt. Der nördliche Teil Mittelchiles ( vom 30° bis
zum 37°) war das Gebiet der Picunche, der südliche Teil Mittelchiles ( vom 37°
bis zum 43°) ist heute noch das Wohngebiet der Mapuche, das Gebiet reicht im
Norden bis zum Rio Bio-Bio, während die Südgrenze weniger genau festgelegt ist
und etwa in der Höhe der Städte Valdivia oder Osorno gedacht sein mag.
Im Osten war das Siedlungsgebiet durch die
Andenkordillere, die in eine Höhe von 5000 bis 6000 m reicht, begrenzt. Erst im
18. Jahrhundert wanderten die Mapuches in größerer Zahl über die Anden und
siedelten am dortigen Osthang und den Grasebenen des heutigen Argentiniens[3].
Im Westen wird das Siedlungsgebiet der Araukaner durch den Pazifischen Ozean
begrenzt.
Die Vorfahren der Mapuche
besiedelten auch die Pampa des heutigen Argentiniens.
Die Mapuche leben und lebten in
einer großen Zahl verstreut liegender Siedlungen/ Gemeinschaften, die eine
variierende Zahl von Haushalten beinhalten, von denen die männlichen Bewohner
patrilinear verwandt sind.
Charakteristisch für die
Gemeinschaften ist die Abwesenheit von physischen
Zusammengehörigkeitsmerkmalen. So bestehen in Mapuche-Siedlungen weder Straßen,
noch Marktplätze, keine Geschäfte oder öffentliche Gebäude.
Die soziale Organisation hat eine
starke männliche Betonung, der Status der Frauen ist umstritten, da er auf den
ersten Blick gering und untergeordnet zu sein scheint, in Hinblick auf die
Heilerinnen, jedoch eine durchaus wichtige Rolle spielt.
Laut Schindler[4]
gab es 1990 etwa eine halbe Million Mapuche. Damit bilden sie die drittstärkste
Indianerpopulation Südamerikas, nach den Quechua und Aymara.
3. Geschichtlicher Überblick:
Die Mapuche dürften im 12. Oder 13.
Jahrhundert, also verhältnismäßig kurz vor der Entdeckung des amerikanischen
Kontinents, in das Gebiet zwischen dem Itata- und Tolt¾nfluss westlich der Andenkordillere
aus der argentinischen Pampa eingewandert sein.
Wie aus keramischen Funden
ersichtlich wird, müssen die Mapuche sich wie ein Keil zwischen die dort
ansässige Bevölkerung geschoben haben und zwar so, daß Picunche sowohl im Norden
wie im Süden der Mapuche anzutreffen waren.
Durch Funde von Keramiken und
Urnen, die nicht ihrer Kultur entsprungen sind, wissen die Mapuche, daß vor
ihnen ein anderes Volk in diesem Gebiet gelebt haben muß. Auch Namku weiß davon: „Several times I have plowed up pottery, but none had silver
ornaments in it. This pottery has a different color from ours; it must have
belonged to a people who lived here before we did. We call such pottery traiki;
ours that is buried we call wishgun.”[5]
Auch Familiennamen, die aus einer
Reihe von Tiernamen zusammengesetzt sind, wie
Nahuel = Jaguar oder cheuque und
hanque = Strauß, sprechen für eine Zuwanderung, da es diese Tiere in Chile nie
gegeben hat. Es handelt sich bei den Mapuche also nicht um die Urbewohner
Chiles, sondern um Einwanderer.
Die erste geschichtliche Notiz von der Existenz der
Araukaner stammt von den Inkas, da ihr Vormarsch nach Süden, 1460 unter der
Führung von Tópac
Yupanqui im Tal von Coquimbo und 25 Jahre später unter seinem Sohn, am
Maulefluß, durch militärische Niederlagen, aufgehalten wurde. Der Maule wurde
zum Grenzfluß des Inka-Imperiums zur Araukanie.
1541 standen die nächsten Eroberer an der Grenze des Mapuche-Gebietes – die Spanier.
Nach schweren Kämpfen wurden erst
die Bewohner der nördlichen Gebiete unterjocht, wenige Jahre später konnten die
Spanier auch in den südlichen Gebieten Fuß fassen. Diese Gebiete konnten jedoch
zu keiner Zeit völlig befriedet werden, da die Araukaner, besonders im dichter
besiedelten Süden, einen beständigen Guerillakrieg führten. Bereits 1553 wurde
der Anführer der Konquistadoren, der erste Gouverneur Chiles, Pedro de
Valdivia, von indianischen Kriegern in einer Schlacht getötet. Vier Faktoren
werden für die Erfolge der Mapuche gegen die Spanier geltend gemacht:
1.
Sie lebten nicht in einem zentralistisch verwalteten
Reich, wie zum Beispiel die Azteken oder die Inka, sondern in zahlreichen
politisch voneinander unabhängigen Einheiten.
2.
Das waldige und hügelige Wohngebiet der Mapuche, das
sich für einen Guerillakrieg ausgezeichnet eignet.
3.
Die Übernahme des Pferdes sowie
4.
Das Geschick der Araukaner, gegen die Eroberer neue
Kampftaktiken und neue Waffen zu entwickeln.[6]
1612 wurde der Bio-Bio zum Grenzfluß erklärt.
Der letzte große Angriff der
Mapuche dauerte von 1654 bis 1656 und vertrieb die Spanier, bis 200 km
nördlich, aus dieser Region. Sie erkämpften sich so die Freiheit von spanischer
Fron und konnten sie im wesentlichen während der spanischen Kolonialzeit
halten. Letztendlich können die Mapuche von sich behaupten, nie endgültig von
den Spaniern unterworfen worden zu sein. Durch ihre Tapferkeit und ihrem
unbändigen Freiheitswillen haben sie selbst Geschichte gemacht und die
Entwicklung des ganzen spanischen Imperiums, durch die hohen Kriegslasten und
die Verluste an Menschen, mit beeinflußt.
Der letzte Rest der Araukanie wurde
erst 1881, nach dreihundertjährigem Freiheitskampf, endgültig unterworfen und
dem chilenischen Staatenverband eingegliedert.
4. Wie kam es zum Kontakt Hilger – Namku?
Inez Hilger war mit ihrer Feldassistentin
Margaret Mondloch im Rahmen ihrer Feldforschung „Araucanian Child Life and Its
Cultural Background“[7]
an der chilenischen Küste unterwegs, wo beide schon einige Zeit mit Interviews
und Beobachtungen verbracht hatten.
Auf dem Weg nach CoÔaripe, wo wie ihnen gesagt wurde,
letzte Gruppen
„Nicht- akkulturierter“ Mapuches
leben, blieben sie aufgrund von Transportschwierigkeiten, mehrere Wochen in
Panguipulli stecken.
In der dortigen Missionsschule
lernten sie über einen deutschen Kapuzinermönch, Pater Sigifredo ( eigentlich
Siegfried Fraunhäusl), der schon seit über fünfzig Jahren in diesem Gebiet lebt
und die Sprache der Mapuche perfekt beherrscht, Huenun Namku kennen.
Es hatte sich im Vorfeld der
Ankunft der beiden Frauen bereits herumgesprochen, daß zwei Forscherinnen
unterwegs sind, die Informationen über die Mapuche sammeln. Namku hatte sich entschlossen
freiwilliger Informant zu werden, da seiner Meinung nach, einige Mapuches in
der Vergangenheit nicht die Wahrheit über sein Volk gesagt hatten, beziehungsweise
unbegreifliche, schlecht recherchierte Dinge über sein Volk geschrieben wurden.
Seine Motivation war es nun, aufgrund der schriftlosen Tradition seines Volkes,
die wahren Sitten und Gebräuche zu erläutern und niederschreiben zu lassen,
damit auch zukünftige Generationen wissen, was für ein Volk die Mapuche waren,
speziell in Hinsicht auf kulturelle Veränderungen, die sein Volk durch die
Einflüsse der Chilenen erfährt. Hierzu gibt er der Autorin ein Beispiel über
Mapuches, die Getreide mit der Sichel ernten und den modernen maschinellen
Methoden der Chilenen, die im besonderen von jungen Mapuche schnell adaptiert
werden[8].
5. Methodik:
Die Gespräche wurden in einem Raum
der Missionsschule geführt und von der Missionslehrerin Francisca Fraundorfner
übersetzt, da Namku eine Mischung
aus Araukanisch und Spanisch sprach, Hilger hingegen nur Englisch.
Die Treffen fanden in
unregelmäßigen Zeitabständen statt, die von Namku
bestimmt wurden, da er nicht jeden Tag Zeit hatte und verliefen relativ
identisch, was heißen soll, daß Namku
irgendwann am Tag in der Missionsschule erschien und zu berichten begann.
Eine Schematik läßt sich hierbei
nicht erkennen, sondern vielmehr ein aufeinanderfolgen von Themen, die Namku gerade beschäftigten[9].
Obwohl Namku ein freiwilliger Informant
war, wurde er für seine Informationen entlohnt. Anfangs erhielt er Geld, soviel
wie ein Landarbeiter auf einer chilenischen Farm pro Tag verdient, im weiteren
Verlauf der Treffen wurden ihm Lebensmittel (Getreide, Melonen etc.)
überreicht.
Die Gespräche wurden von Hilger und
ihrer Assistentin aufgezeichnet und bereits am jeweiligen Abend ausgewertet, da
nach Hilgers Meinung Reaktionen und Stimmungen noch besser in der Erinnerung
erhalten sind und als Anmerkungen registriert werden können, da Reaktionen auf
Fragen oftmals kulturell verwurzelt und eng mit der Persönlichkeit des
Informanten verbunden sind.
Bei der Auswertung spielte auch die
Übersetzerin, Francisca Fraundorfner, eine große Rolle, da sie zur Klärung von
Detailfragen oder Unklarheiten beitragen konnte, beziehungsweise durch eigene
Erfahrungen zu von Namku nicht
näher erörterten Punkten Stellung nehmen und so zu Problemlösungen beitragen
konnte.
Nachdem jede Aussage von den Dreien
diskutiert worden war, konnte sie ins „reine“ geschrieben werden. Konnten
Unklarheiten nicht ausgeräumt werden, wurde die Schwierigkeit noch einmal mit Namku besprochen. Gerade durch den
längeren Aufenthalt in Panguipulli und den häufigen Treffen mit dem Informanten
war es möglich, Aussagen klarzustellen, zu vervollständigen oder mit
Darstellungen befragter Menschen aus der Küstenregion zu vergleichen.
Jede fertige Seite wurde mit dem
Namen des Informanten, seinem Alter, dem Wohnort, dem Datum und einem Titel
überschrieben.
6. Zur Person Huenun Namku:
Huenun Namku [10]
heißt ins Deutsche übersetzt soviel wie „Hoch fliegender Adler“.
Das Alter bleibt unklar, da keine
Geburtsurkunde oder sonstigen Belege für seine Geburt existieren, er selbst
schätzt, daß er vor 80 Jahre geboren wurde. Der Ort ist ihm bekannt, es ist
Chinquil, in der Nähe von Melafquen.
Namku
ist seit fünfzig Jahren mit MarÍaÔuke verheiratet, die auch, obschon
bei den Mapuche die Möglichkeit der Polygamie besteht, die einzige geblieben
ist.
Mit MarÍaÔuke hat er sechs Kinder, zwei
Töchter und vier Söhne, die zwischen zwanzig und dreißig Jahren alt sind: -Juan
(30 Jahre,X),
Fabian (28,X),
Rosalia (26,C),
Jeronimo (25,X),
Atanaseo (23,X),
Teresa (20,C). Eigentlich
wären es noch sieben mehr, sie verstarben jedoch bereits im Kindesalter.
Namku ist
Selbstversorger, das heißt er ist Bauer und Jäger. Ihm gehören in einer kleinen
Siedlung, die etwa eine Stunde Fußmarsch von Panguipulli entfernt liegt, zwei
Rukas mit 30 Hektar[11]
Land, wovon das meiste allerdings Sumpf ist. Des weiteren ist er im Besitz
einiger Obstbäume, 6 Ochsen, 5 Kühen, 3 Pferden, 20 Schafen, 30 Hühnern, 12
Truthähnen und 11 Gänsen.[12]
Sein Charakter wird von der Autorin
als hoch intelligent, sympathisch, gewissenhaft, stolz, unabhängig, warmherzig
und höflich beschrieben.
7. Zum Inhalt des Buches:
Das Buch beinhaltet zehn Kapitel, von denen ich das zweite
und das zehnte ausklammern möchte, da es sich dort zum einen um die bereits
beschriebene methodische Vorgehensweise handelt, zum anderen ein Besuch bei Namku ansteht, dessen Ergebnisse
bereits im Kapitel „Zur Person Huenun Namku“
beschrieben werden.
Die anderen acht Kapitel haben
einen sich gleichenden strukturellen Aufbau. Mit kleineren Anfangsvarianten
beginnt ein Kapitel damit, daß Namku in der
Missionsschule erscheint, Hilger kurz seine Stimmung oder jeweilige Verfassung
beschreibt (mal wirkt er gut gelaunt, mal aufgeregt, einmal ist er ziemlich
betrunken) und dann Namku s
Erzählungen beginnen.
Im folgenden möchte ich den Inhalt
der einzelnen Kapitel kurz wiedergeben und den jeweiligen sozio-kulturellen
Hintergrund beleuchten:
7.1. Kapitel I: „Huenun Namku, Fisherman and Trapper“
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit
den Mapuche als Fischer und Fallensteller, es geht also sowohl um die
Ernährung, als auch um die Fauna.
Natürlich leben die Mapuche nicht
nur von den eher als unzuverlässig einzustufenden Jagdergebnissen, sondern sind
durchaus mit der Landwirtschaft vertraut, was am Rande auch von Namku erwähnt wird: “Do you see that Chilean cutting his grain? He is doing it
with a combine; he cuts and threshes that grain with that one Machine. If you
go with me to the other side of that hill, you will see a Mapuche family there
cutting its field of grain with sickles. Next week you will see them threshing
that grain by having horses tramp on its ears [...].”[13]
Dies sieht vordergründig nach europäischem Mittelalter und einer gewissen
Rückständigkeit aus, die jedoch lediglich auf die fehlenden finanziellen Mittel
zurückzuführen ist, diktiert durch geschichtliche Vorgaben. Sofern es sich die
Mapuche leisten können, werden in der Landwirtschaft durchaus moderne
technische Gerätschaften eingesetzt. Dies paßt zum allgemeinen Eindruck, daß
die Mapuche ein sehr adaptionsfähiges Volk sind, da sie sowohl die ersten
waren, die sich die Vorzüge des Pferdes zu Nutze machten[14],
als auch nach der Ankunft der Weißen früh den Weizen übernahmen. Der wurde
aufgrund seiner relativen Anspruchslosigkeit, in Hinblick auf die Böden, zur
Hauptanbaupflanze, dies nicht zuletzt wegen seines Marktwertes. Er löste so die
einheimischen Anbaupflanzen wie Mais, Kartoffeln und Bohnen, die feuchte und
gute Böden benötigen und deshalb eher in den Flußtälern wuchsen, ab.
Die Beschreibungen Namkus über die unterschiedlichen
Fischfangtechniken und vorhandenen Fischarten können als detailliert und
differenziert beschrieben werden.
Im Rahmen dieser Arbeit möchte ich
die Aufzählung der Fischarten (in Mapuche und Latein), sowie ihre Lebensräume,
zurückstellen und lediglich erwähnen, daß unterschiedliche Fischfangtechniken
in unterschiedlichen Gewässern gelten und es Unterschiede in den Fangtechniken der
Männer und der Frauen gibt. Für die Bewohner des Küstenstreifens wie für die
Anwohner der Binnenseen bildet Fisch die Hauptnahrung.[15]
Im weiteren wird Jagd auf alle wild
lebenden Vierbeiner gemacht, wobei Namku
besonderen Wert auf die Erklärung einer Puma - Jagd legt, die allerdings eher
dem Prestige- als dem Nahrungsgewinn dient.
Auch Vögel gehören zu den
Jagdobjekten und zur Nahrungskette. Allgemein scheint die Jagd bei den Mapuche
jedoch nie eine große Rolle gespielt zu haben, sie bildet keinen wesentlichen
Faktor in der Verpflegung, eher wurde oder wird gejagt um domestizierte Tiere
zu schützen.
Die Hauptnahrung der Mapuche ist
pflanzlicher Natur, bereits bei den ersten Begegnungen mit den Spaniern war der
Araukaner ein relativ seßhafter Bauer. Fleisch gab es außer an Festtagen
selten.
7.2. Kapitel III: „Ruka Building and Food Preparation“
In diesem Kapitel wird die Konstruktion eines
traditionellen Wohnhauses der Mapuche, der sogenannten Ruka beschrieben, als
auch die Zubereitung der in Kapitel I erlangten Nahrungsmittel. Bei beiden
Themen gaben äußere Faktoren den Anstoß der Erläuterung, einmal ein Verwandter Namkus, der um dessen Hilfe beim
Bau einer neuen Ruka bat, im zweiten Fall Namkus
Ehefrau, die sich wunderte, wie er mit den Fremden über Fischen und Nahrung
sprechen konnte, ohne die Zubereitung zu erklären.
Beginnen möchte ich mit der Beschreibung des Baus einer
traditionellen, strohgedeckten Ruka. Diese sind zwar in der Nähe Panguipullis
kaum noch anzutreffen, da dort inzwischen moderne Gebäude das Landschaftsbild
prägen, deren tragende Teile, als auch die Wände aus Holz gebaut werden und das
Dach mittlerweile aus Wellblech besteht. In entlegeneren Gebieten, wie etwa in
der Umgebung von CoÔaripe,
stellen die traditionellen Häuser jedoch noch die Regel dar.
Die Ruka hat verschiedene Formen, der Grundriß kann oval,
rechteckig und polygon sein. Die Größe variiert ebenfalls; aus der Zeit der
frühen spanischen Quellen, wird von Mammutbauten in der Gegend des Golfes von
Coronado berichtet, die von 30 bis 40 Personen, aber auch 80 bis 90 Menschen
bewohnt wurden.[16]
Die Errichtung der Rukas ist reine Männersache und wird in
Gemeinschaftsarbeit mit Nachbarn oder Verwandten ausgeführt. Zehn bis zwanzig
Männer erscheinen, um bei dem Bau zu helfen.
Es werden zwei Aufseher gewählt („kafu“) mit jeweils einem
Assistenten („inkafu“), von denen jedes Team die Hälfte der anwesenden Männer
befehligt, deren Aufgabe in der spielerischen Konkurrenz der schnelleren
Fertigstellung des ihrigen Anteils der Hütte besteht. Zuerst wird ein Gerüst
aus roh gezimmerten Baumstämmen errichtet[17],
wofür Holzstangen einer bestimmte Baumart benötigt werden[18].
Im folgenden werden Gras- oder Schilfbüschel samt Wurzeln herbeigebracht und
das traditionelle Haus, vom First bis zum Erdboden, damit gedeckt, wodurch die
Ruka völlig zugfrei und warm wird. In den moderneren Rukas, bei denen die Wände
zunehmend aus Brettern gefertigt sind, werden die Hütten in erster Linie kalt und
feucht, was für die Bewohner in diesem regenreichen Land mit verhältnismäßig
langen und kalten Wintern durchaus negative gesundheitliche Auswirkungen hat.
Die Hütte bildet im Innern einen einzigen fensterlosen
Raum, den man durch eine oder zwei niedrige Türöffnungen betritt. In der Mitte
der Ruka befindet sich die Feuerstelle, an der gekocht und im Winter auch
geschlafen wird.
Die Arbeitsgruppe, die ihren Teil der Arbeit zuerst
fertiggestellt hat, verspottet die andere Gruppe und es finden Schaukämpfe
statt.
Der Bau einer Ruka endet mit einem Festmahl, daß die
Frauen vor Ort zubereitet haben und einem heftigen Trinkgelage.
Versuche der Regierung, aber auch von Missionaren, die
Mapuches vom Leben in modernen Häusern aus Beton mit Wellblechdächern zu überzeugen,
dürften als gescheitert betrachtet werden. Zwar haben viele Familien aufgrund
günstiger Bedingungen solche Häuser von Regierungsstellen erworben, die Gehöfte
bestehen deshalb heute häufig aus einem traditionellen und einem modernen Haus.
Die neu erworbenen Häuser dienen jedoch wegen ihrer schlechten Beheizbarkeit und ihren zu kleinen
Räumen, vielfach nur zum Schlafen oder als Kühlraum, während sich das wahre Leben nach wie vor in
den traditionellen Rukas abspielt.[19]
Bei der Essenszubereitung ergeben sich aufgrund des
möglichen vielfältigen Nahrungsangebots große Variationsmöglichkeiten. Von
gegärten Kartoffeln, gebratenen oder gekochten Fisch, über Wildfrüchte, dem
Getreide und Gewürzen ( wie etwa Chili ) scheint die Versorgung der Bewohner
der Araukanie gesichert, abwechslungsreich und gesund gewesen zu sein, dennoch
kam es nach Namkus
Auskunft annäherungsweise alle fünfzig Jahre zu Hungersnöten, die durch Kriege,
Trockenheit oder Überschwemmungen und den damit bedingten Mißernten, auftraten.
7.3. Kapitel IV: „Traditions, Songs, and Riddles“
Dieses Kapitel beginnt mit einer Tradition, die bei den
Mapuche eine sehr große Rolle spielt, der Begrüßung.
Dazu muß gesagt werden, daß es bei
den Mapuche zwei Regeln gibt, die man niemals vergessen darf und deren
Unterlassen einen beinahe nicht wiedergutzumachender Akt der Unhöflichkeit
darstellt. Das sind:
1)
Bei dem Hinzutreten zu einer Gruppe, beziehungsweise
dem Betreten eines Raumes, jedem Anwesenden, ob Mann, Frau oder Kind die Hand
zu geben
2)
Nicht das koyaqtun zu vergessen, beziehungsweise
falsch damit umzugehen.
Das koyaqtun läuft folgendermaßen
ab:
Person A stellt Frage 1 an Person
B, die der Frage entsprechend antwortet.
Es folgt jedoch keine Gegenfrage
von Person B an Person A, sondern Person A stellt Frage 2 an Person B. So
werden einige Fragen durchgespielt, bis Person B Frage 1 an Person A stellen darf. So
ergibt sich folgendes Schema:
PA:F1º PB:A1
PA:F2º PB:A2
PA:Fxº PB:Ax
im Gegenzug dann:
PB:F1º PA:A1
PB:F2º PA:A2
PB:Fxº PA:Ax
Auch die Art der Fragen ist vorgegeben. Bei Namku – Hilger sah das
folgendermaßen aus:
Namku
fragt: “How have you been?“,
“How is your family in North America?“, “How are the people in your country?“,
“How are the indigenous people there?“, “How are the sisters here with whom you
are staying?“[20]
Hilger wird Namku
im Gegenzug natürlich nicht wortwörtlich dieselben Fragen stellen, jedoch
sinngemäß.
Eine weitere wichtige Tradition sind Lieder. Der Araukaner
singt von Natur aus Solo. Chorgesänge sind neuere Erscheinungen und werden
lediglich von jungen Leuten gesungen, diese Lieder haben einen chilenischen
Ursprung.
Die traditionellen araukanischen Lieder decken ein weites
Spektrum an Themen ab und sind ein wichtiges Mittel, da sie Gebete und Bitten
um übernatürliche Hilfe beinhalten, wie etwa bei Einsamkeit, Sorgen, Armut oder
Unfruchtbarkeit. Sie können aber auch die Freuden des Menschen zum Inhalt
haben, wie Frauen, Pferde, Wein und Freiheit, Liebe zum Boden, den Eltern und
Freunden.
Elegische Gesänge, llam¾kan
genannt, werden ausschließlich von Frauen beim Getreidemahlen gesungen. Alle
Mahllieder haben die gleiche Melodie.
Daneben gibt es – ebenfalls mit elegischem Grundton –
Gesänge, die ausschließlich von Männern gesungen werden.
Die teilweise recht poetischen Gesänge der Machi nehmen
sowohl in qualitativer wie inhaltlicher Hinsicht eine Sonderstellung ein. Diese
Lieder haben einen spirituellen Hintergrund und dienen meist der Heilung von
Kranken.
Zum dritten Themengebiet der Kapitelüberschrift IV, den
Rätseln bleibt lediglich zu sagen, daß die Mapuche keine Rätsel kennen,
beziehungsweise Rätsel nicht in ihrer Tradition liegen.
7.4. Kapitel V: „Curative Knowledge and Practices“
Die Mapuche glauben, daß
Krankheiten durch einen bösen Geist entstehen, der von jemanden geschickt
wurde. Der Geist kann durch verschiedene Zeremonien vertrieben werden. Die
Machi (Medizinfrau) allein kann die wahren Gründe einer Krankheit erkennen und
den Geist der Krankheit aus dem Körper des Betroffenen saugen[21],
oder mit Hilfe von Heilkräutern, Wasser aus speziellen Quellen, Lieder und
Tänzen heilen.
Das Wissen um die heilende Wirkung
von Kräutern und das Beherrschen der Urindiagnose sind nur ein Teil der
Kenntnisse und Fähigkeiten über die eine Machi zu verfügen hatte. Sie mußte
auch imstande sein, sich in Trance zu versetzen und Visionen zu empfangen, die
als Offenbarung verstanden wurden.
In das Amt einer Machi wurde man
nicht gewählt, oder beschloß es zu werden, vielmehr wurde man von den höheren
Mächten, die sich der jeweiligen Person in Träumen und Visionen oder schweren
Krankheiten mitteilten erwählt, oft gegen den eigenen Willen oder den der
Angehörigen. Die Macht der Magie wurde durch lange methodische Einführung bei
einem Lehrmeister erworben. Die Machi lebten von der Gesellschaft abgesondert,
zum Teil in Höhlen auf den Bergen und galten, soweit es sich um Männer handelte
- sie waren in der Frühzeit der Begegnung mit den Spaniern in der Überzahl -,
als Päderasten. Sie trugen frauenähnliche Kleidung und Frauenschmuck wie Ringe,
Halsketten usw..
Zur Heilung von Kranken wurden
große Zeremonien abgehalten, die „Machitun“ genannt werden. Für die Heilung
eines Kranken erhielt die Machi von den Angehörigen eine Entlohnung, die in bar
oder in Naturalien beglichen werden konnte. Der Wert blieb gleich und lag
umgerechnet zwischen 100 und 200 DM.
7.5. Kapitel VI: „Witches and Magic“
Jede Machi, im Wissen um die
Verantwortung um ihren Distrikt ( ihren Rehue ), vermittelt zu dessen Gunsten,
indem sie die Bitten der Menschen in die Sphäre des Geistigen erhebt,
jedenfalls so lange, wie es sich um eine “gute“ Machi handelt. Daneben gibt es
außerdem “böse“ Machis, die mit dem Namen „Kalkus“ bezeichnet werden. Der
Glaube an die „Kalkus“, besser noch die Angst vor ihnen, ist sehr groß.
Verhexte Eier und verhextes Fleisch spielen beim Treiben der Kalkus eine
bedeutende Rolle[22].
Dabei ist eben die Schwierigkeit, diese im Boden vergrabenen Objekte zu finden,
was den Charakter des Geheimnisvollen nur noch erhöht.
Auch Namku hat
mit einer Kalku zu tun und obwohl durch den Umgang mit Pater Sigifredo in
vielem aufgeklärt, ist der Glaube an böse Mächte auch in ihm vorhanden. Da
seine Felder keinen rechten Ertrag gaben, vermutete er eine Kalku dahinter.
Tatsächlich fand er beim Graben auf seinem Feld Schwanzfedern eine Huhns und
sagt: „Ich bin überzeugt...das ist die Kalku, die noch in dieser Gegend wohnt,
die meinen Feldern Schaden zufügt...Als ich jenen Muskelmagen (gizzard) fand,
hätte ich einen Kalku engagieren sollen, der Schaden von meinen Feldern hält.“[23]
Namku ist sich dieser Sache sehr
sicher: Wo immer jemanden Übles widerfahren ist, dort ist ein Kalku in die
Sache verwickelt.
Ein weiterer Aspekt, der in diesem Kapitel angesprochen
wird, sind die Geister (“spirits“), die im Leben eines Mapuche ebenfalls eine
gewichtige Rolle einnehmen. Geister sind überall und werden personifiziert,
indem man ihnen Charaktere zuweist. Diese Geister sind für bestimmte Bereiche
zuständig, wie zum Beispiel den Wald, die Vulkane, die Gewässer. Namku gibt dazu Beispiele: „There
are bad spirits in some of our lakes [...] He ( der Vulkan ) was angry at
the time with one of those Chilean fundo owners, and for three days he blew out
many, many, many red hot stones“[24].
Während der religiösen Zeremonien
werden diese Geister ebenfalls um Unterstützung angerufen oder spezielle
gnillatuns abgehalten, deren Ablauf im folgenden Kapitel beschrieben wird.
7.6. Kapitel VII: „Religious Beliefs & Ceremonials“
Man kann die Religion der Mapuche
als monotheistisch bezeichnen, in ihren religiösen Zeremonien wenden sich die
Mapuche primär an einen Gott, der meist „Chau“ genannt wird, jedoch auch unter
zwei anderen Namen bekannt ist:
1)
Gnünech¾n
2)
Nun¾napón.
Den ersten verwendet man, wenn man
über Chau spricht, wie er die Welt regiert,
den zweiten Namen, wenn über die
Erschaffung der Welt gesprochen wird. Trotz der drei Namen also nur ein Gott,
so daß Namku seinen
Glauben durchaus mit dem Christentum vergleichen möchte. Er bezeichnet sich
selbst sogar als Christ, betet auch christliche Gebete, doch anstelle von
“Dios“ setzt er dort den Namen der Mapuche für Gott ein: Chau.[25]
Nach den Vorstellungen der Mapuche befindet sich an der Seite Chaus eine Frau,
die Wenümapu Nuke genannt
wird und als Mutter bezeichnet wird. Sie leitet die Bitten der Betenden an Chau
weiter. Wichtig für Namku ist
die Klarstellung der Position Wenümapu Nuke als
Chaus Frau, nicht als dessen Mutter und vollzieht somit eine deutliche
Abgrenzung zum Katholizismus, da Hilgers Frage darauf zielte, ob dieser Glaube
seinen Ursprung in der katholischen Verehrung der Mutter Jesu habe.
Die Verstorbenen gehen auch nicht
ins Paradies, sondern nach „pillaÔ“, das bei
den Vulkanen liegt, die den See Panguipulli umgeben.
Gebete werden über gnenpins an Chau
herangetragen. Gnenpins sind verstorbene Propheten,
von denen es unzählbar viele gibt.
Wohltaten von Chau werden nicht nur
über Gebete erlangt, sie müssen auch durch Opfer herbeigeführt werden. Die
privaten Opfer sind vielfältig. Meist sind es tägliche kleine Opfer für
Wohlstand und Gesundheit, wie Blutopfer beim Schlachten, oder vor dem Essen und
Trinken einen Teil der Nahrung dem höchsten Wesen zu opfern. Namku gibt hierzu ein Beispiel von
seiner Großmutter, die vor dem Essen einen Löffel des Essens vor der Ruka mit
einem Gebet an Chau in den Himmel schleuderte und beim Verteilen der Mahlzeit
jeweils einen Teelöffel voll in das Feuer warf.[26]
Größere Opferzeremonien fanden Namkus Angaben zufolge früher
jährlich statt, zur Zeit des Interviews nur noch alle drei bis fünf Jahre.
Zu diesen Zeremonien, die gnillatun
genannt werden, versammelten sich bis zu eintausend Mapuche, um Chau gnädig zu
stimmen. Der Anlaß eines gnillatuns war irgendeine tatsächliche oder drohende
Not, die sich durch schlimme Vorzeichen oder Geister-erscheinungen ankündigte.
Zumeist steht das gnillatun in engem Zusammenhang mit der Feldarbeit und der
damit verbundenen Bitte um gutes Wetter in der Erntezeit, es konnte jedoch auch
um Hilfe bei akuten Problemen, wie Vulkanausbrüchen, Stürmen, Überschwemmungen
gehen.
Geopfert wurde neben Tabak auch
Tiere, die verbrannt wurden, nachdem ihnen das noch pulsierende Herz aus dem
Körper geschnitten worden war. Blut mußte auf dem Boden verteilt und in den
Himmel gespritzt werden, um Chau gnädig zu stimmen. Die Zeremonien konnten bis
zu fünf Tagen dauern und endeten mit einem Trinkgelage.
7.7. Kapitel VIII: „Huenun´s Wife & Daughter“
In diesem Kapitel bringt Namku, zur Freude von Hilger und
Mondloch, seine Frau und eine seiner Töchter mit in die Missionsschule. Die
beiden Forscherinnen erhoffen sich weitere Informationen über araukanische
Kinder und Kindeserziehung zu erhalten, für die sie sich im Rahmen ihrer
eigentlichen Forschungsarbeit interessieren, in der speziell Frauen befragt
werden sollten. Ein Gespräch unter Frauen kommt allerdings nicht zustande, da
Fragen an Namkus Frau
oder Tochter von Namku
abgeblockt werden. Er beantwortet auch Fragen, die direkt an seine Frau
gewendet sind. In seinen Augen sind Fragen zu Kindern oder Babys jedoch
unrelevant, da sie keinen Wert hätten und bittet darum über etwas sprechen zu
können, wofür Intelligenz von Nöten ist.[27]
Aufgrund der Komplexität der
Informationen, die in diesem Kapitel in Bezug auf die araukanische Sprache,
Kinder und Kindeserziehung, sowie Namensgebungen gegeben werden, möchte ich in
Hinblick auf den knappen vorgegebenen Rahmen dieser Arbeit, lediglich um
Kenntnisnahme bitten.
7.8. Kapitel IX: „Marriage in the Araucanian Way“
Bei den Mapuche gibt es, wie bei
anderen Kulturen auch, die unterschiedlichsten Möglichkeiten, wie zwei Menschen
zusammenfinden und heiraten. Dennoch sind bei den Mapuche zwei dieser
Möglichkeiten besonders ausgeprägt.
1)
– der Brautraub
2)
– der offizielle Kauf der Braut
gemeinsam hatten beide, daß die
zukünftige Ehefrau nicht über ihre anstehende Hochzeit informiert wurde.
Der Brautraub wurde meist Nachts
durch eine Gruppe von Männern durchgeführt, die die Frau verschleppten und sie
zur Heirat zwangen. Opfer wurden nicht nur Mapuche-Frauen aus anderen
Mapuche-Gruppen, sondern auch Chileninnen, die bei Überfällen auf die
spanisch-sprechende Bevölkerung erbeutet wurden.
Komplizierter war der offizielle
Kauf der Braut. Der Vater eines Jungen bestimmte eines Tages, daß dieser
heiraten soll. Die beiden berieten, welches Mädchen in Frage kam. Schließlich
ging der Vater oder ein von ihm bestimmte Zwischenhändler, zu dem Vater des
Mädchens und besprachen eine mögliche Hochzeit. Waren beide mit der Wahl
einverstanden, wurde ein Brautpreis, in Bezug auf Anzahl und Art der zu
bezahlenden Tiere, ausgehandelt. Hatten die Verhandlungen erst einmal diesen
Punkt erreicht, gab es kein zurück.
Wichtig für die Heirat waren die
verwandtschaftlichen Beziehungen. War die zur Hochzeit auserwählte Frau eine Parallelcousine
des Bräutigams, oder noch enger mit ihm verwandt, so war eine Heirat
ausgeschlossen. War sie jedoch eine Kreuzcousine oder nicht mit der Familie des
Bräutigams verwandt, so stand einer Heirat nichts mehr im Wege, und die zwei
Väter, beziehungsweise deren Unterhändler machen den Hochzeitstermin aus.
8. Schlußbemerkung:
Schaut man oberflächlich auf die
Sozialstruktur der Mapuche, so ergibt sich das Bild einer stark männlich
dominierten Gesellschaft, in der den Frauen jeglicher Kontakt zu Fremden und
sogar das Sprechen verboten wird. Diese scheinbare männliche Dominanz wird auch
in Kapitel VIII deutlich, dort behauptet Namku
beispielsweise, daß seine Frau die Fragen nicht beantworten kann, da sie selten
aus dem Haus geht und selten mit anderen Menschen spricht. „In fact she does
not know much.“[28]
Hilger sieht das anders, in ihren Augen ist MarÍaÔuke eine intelligente Person.[29]
Fragt man die Frauen, wie Inez
Hilger dies in ihrem Buch „Araucanian Child Life and Its Cultural Background“
getan hat, so wird deutlich, daß die Frau ihre soziale Stellung im Vergleich zu
der des Mannes nicht als inferior ansieht, da anstehende Probleme unter den
Ehepartnern diskutiert werden, die Zustimmung zur Heirat einer weiteren Frau
von der ersten Ehepartnerin eingeholt wird, der Mann auch im häuslichen Leben
behilflich ist und bei der Erziehung der Kinder hilft.
Auch bei den bereits in den vorherigen Kapiteln
beschriebenen religiösen Ritualen, mit genauen Vorschriften, Gesängen und
heiligen Tänzen, spielen die Frauen eine gewichtige Rolle. Die Machi, die diese
Rituale beherrschte, hat großen Einfluß auf die Gesellschaft; denn
die Magie spielt eine bedeutende Rolle bei den Mapuche,
nicht nur bei allen religiösen Repräsentationen, sondern darüber hinaus
ebenfalls bei der Medizin, der Justiz und bei nahezu allen sozialen Akten, wie
Spiel, Kampf, Gesang, Tanz und Musik. In der Machi, in ihren Halluzinationen
und Gefühlen zeigte sich das kollektive Bewußtsein der Gruppe.
Ein anderer Aspekt, der einem bei der Betrachtung der
Geschichte Araukaniens ins Auge fällt, ist der Krieg, der bedingt durch
dreihundert Jahre Widerstand gegen Besatzer eine große Rolle, wenn nicht die
entscheidende im Leben des Mapuche Volkes spielte.
Die neuere Geschichtsschreibung macht zunehmend deutlich,
daß größere Angriffe der Mapuche fast immer durch Maßnahmen von spanischer
Seite ausgelöst wurden. Solche Erkenntnisse zielen keineswegs darauf ab, die
Araukaner als ein friedliches Volk hinzustellen. Dies waren sie nicht, darüber
besteht kein Zweifel. Vielmehr fochten sie unablässig Fehden untereinander aus.
Falsch ist es jedoch, die Mapuche als aggressive, blutrünstige Barbaren
darzustellen, eher kann man von einem intelligenten, sehr starkem und auch
durchaus adaptionsfähigem Volk, mit einem sehr ausgeprägten Freiheitswillen
sprechen.
[1] Vgl.: Cooper, John, M.: „
The Araucanians“, in: Smithsonian Institution, Bureau of American Ethnology,
Bulletin 143, Handbook of South American Indians, Vol. 2, Washington 1946,
Seite 44.
[2] Vgl.: Wilhelm, Ernest von
Mösbach, „ Voz de Arauco, ExplicaciÙn
de los Nombres IndÍgenas
de Chile“, Padre las Casas 1960.
[3] Die argentinischen
Araukaner stimmen in wesentlichen Elementen mit ihren Verwandten auf der
chilenischen Seite überein. Jedoch bestehen auch bedeutende Unterschiede in der
Kultur, die auch Namku
bekannt sind: „ I once heard it said that the Mapuches in Argentinia imitate
animals in their dances, but we on this side of the Cordillera do not dance
that way.“ Vgl.: Hilger, Seite 75.
[4] Vgl.: Schindler, Seite 12.
[5] Vgl.: Hilger, Seite 57.
[6] Vgl.: Schindler, Seite 18.
[7] Vgl.: Hilger, Inez:
„Araucanian Child Life and Its Cultural Background“,
Smithsonian Miscellaneous
Collections, Vol. 133, Washington D.C. 1957.
[8] Vgl.: Hilger, Seite 4.
[9] Bsp.: Er hilft Freunden
beim Bau einer Ruka, so folgt ein Kapitel über den Bau einer solchen.
[10] Siehe Anhang: Abb. 1.
[11] Das ist ziemlich viel, da
im Durchschnitt einem Mapuche etwa 6 Hektar Land gehören.
[12] Dies läßt Namku als sehr wohlhabend
erscheinen, da Helmut Schindler eine CautÍnstudie
anführt, aus der er aufführt: „[...] nennen drei Fünftel aller
Mapuchefamilien,nämlich 59,5%, keine einzige Kuh ihr eigen; nicht ganz ein
Fünftel, nämlich 17,5% bzw. 19,5%, haben ein bzw. zwei Kühe. Nur 23,5% sind
Besitzer von drei oder mehr dieser Tiere [...] Pferde sind heute bei dem
ehemaligen Reitervolk selten geworden. [...]besitzen drei Fünftel aller
Mapuchefamilien kein Pferd mehr, nämlich 59%; wenig mehr als ein Viertel, und
zwar 28,5%, verfügen über ein Pferd, aber in keinem Falle haben sie mehr als
vier Reittiere[...]“ und so weiter.
Vgl.: Schindler, Seite 115 ff. Weitere Angaben über Namkus Besitztümer gibt Hilger in
Kapitel X: „AdiÙs,
Huenun! AdiÙs!“
[13] Vgl.: Hilger, Seite 4, oben.
[14] So waren die Mapuche gute
und gefürchtete Reiterkrieger.
[15] Die von Namku geäußerte Befürchtung um die
einheimischen Fischarten, aufgrund von Fremdfischbesatz hat sich bewahrheitet.
Die schon auf Seite 12 geäußerte Bemerkung:“ ... the Chilean lake region has
become a foreign fisherman´s paradise“ trifft heute mehr denn je zu. Bereits im
Deutschen Fernsehen habe ich vor einigen Tagen einen Bericht über Angeltrips
nach Südchile gesehen. Um die Angler bei Laune zu halten wurden schnell wachsende
und sich schnell vermehrende fremde Arten eingesetzt, welche einheimische Arten
verdrängen.
[16] Vgl.: Cooper, J.: „The
Araucanians“, Seite 707.
[17] Siehe Anhang: Abbildung 2.
[18] „Nothofague obliqua“ und
„Eucryphia cordifolia“
[19] Ein anderes Argument, das
gegen die Errichtung moderner Häuser spricht, wurde bei dem schweren Erdbeben
in Kolumbien, vor einigen Monaten ersichtlich. Während die traditionellen
Häuser aus Bambus und Holz stehenblieben, erwiesen sich die scheinbar
unverwüstlichen Stein- und Betonbauten als genau das Gegenteilige.
Der deutsche Entwicklungsdienst ist vor Ort und
versucht die Bewohner der betroffenen Region davon zu überzeugen, daß mit den
traditionellen Materialien Häuser errichtet werden können, die bei inzwischen
gleichem Komfort die wesentlich sicherere Variante bilden. Da auch das Gebiet
der Mapuche als Erdbebengefährdet gilt, dürfte vom Bau weiteren Häuser aus
Beton und Stein, aufgrund der fehlenden Flexibilität bei Erdbewegungen,
abgeraten werden.
[20] Vgl.: Hilger, Seite 35
oben.
[21] Vgl.: Hilger, Seite 45:
„Anyone, he continued, can poke a hole into the skin of a sick person at the
place in which he has pain and can suck blood from there, but it is only the
machi who can suck out the spirit of sickness, that causes the sickness.“
Auch Männer können ein „Machi“ werden, je nach
Berufung. Die Mehrzahl der „Machi“ stellen jedoch die Frauen, daher möchte ich
der Einfachheit halber im folgenden von Frauen als Machi sprechen..
[22] Vgl.: Hilger, Seite 64.
[23] Vgl.: Hilger, Seite 62
bis 65, (eigene Übersetzung).
[24] Vgl.: Hilger, Seite 58.
[25] Vgl.: Hilger, Seite 67: „
I did not have to change my belief in God when I became a Christian; our God is
the same as yours, only we call Him Chau-we have always called Him Chau. When
we say Christian prayers today and the word God occurs in them, we say Chau
instead of God.“
[26] Vgl.: Hilger, Seite 68.
[27] Vgl.: Hilger, Seite 84.
Dies paßt zu der Aussage Michael Titievs, der in seinem Artikel über das
„Social Singing among the Mapuche“ von einer stark männlichen Betonung in der
sozialen Organisation der Mapuche spricht. So stellt sich einem Mapuche die
Frage: „Warum soll eine Frau reden, wenn ein Mann da ist der dies tun kann?“
[28] Vgl.: Hilger, Seite 89.
[29] Vgl.: Hilger, Seite 89:
„I believed she must be an intelligent person. ( I had noticed her quick,
intelligent glances, her delicate manners, and her fine features.)“